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Brasilien: Fußball-Talent-Export-Weltmeister

PlayFußballtalent Endrick jubelt auf Spielfeld
Brasilien: Fußball-Talent-Export-Weltmeister | Bild: IMAGO / TheNews2

Brasilien ist wie eine Zuchtfarm für talentierte Nachwuchskicker. Allein im Jahr 2023 wurden 1.289 Fußballer ins Ausland transferiert. Alle Spitzenvereine im europäischen Fußball wetteifern um immer jüngere brasilianische Talente. Endrick heißt das neueste Wunderkind des Landes. Bereits mit 16 Jahren wurde er an Real Madrid verkauft. In Europa erwartet die jungen Spieler oft Reichtum und Ruhm. Aber viele der jungen Spieler und ihre Familien werden von Armut in unglaublichen Reichtum katapultiert. Da wollen viele mitverdienen. Talentscout Thiago ist ständig unterwegs auf der Suche nach Spielern mit dem gewissen brasilianischen Etwas. Die wenigsten von ihnen schaffen es an die Spitze, der Konkurrenzkampf ist knallhart.

Talentscouts und Agenturen suchen die Spieler von morgen

Auf diesem Platz hat für Samuel alles angefangen, damals ist er gerade sieben Jahre alt. Jetzt mit 14 ist der Stürmer ein begehrtes Talent, mit großen Träumen. "Ich will in Europa spielen. Ich würde gerne zu Manchester City, Liverpool. Und ich möchte meine Familie aus der Armut holen." Vielen Talentscouts ist der Junge aufgefallen, doch Thiago Freitas will ihn für sich gewinnen. "Er bewegt sich mehr und schneller als andere. Wenn er anzieht, gleicht er einem Panther, aber wenn er an einem Verteidiger vorbeimuss, verwandelt er sich in ein wendiges Eichhörnchen. Er hat diese einzigartige Kombination im Blut. 14 Jahre – das perfekte Alter, sagt Thiago. Da zeige sich schon das Talent, aber die Jungs sind noch formbar und ab 18 Jahren dann reif für einen Spitzenverein. Mit mehr als 1.200 Spielern allein im vergangenen Jahr ist Brasilien Export-Weltmeister von Fußballtalenten. "Ich würde sagen, was du hier siehst, ist wie eine Zuchtfarm für Athleten. Eine Brutstädte für Jungs, bereit, sich in große Sportler zu verwandeln, die exportiert werden. Das ist, was sie alle wollen."

Endrick auf Zeitschriftencover
Endrick hat geschafft, wovon viele träumen | Bild: SWR

Thiago hat Samuel einen Management-Vertrag angeboten. In São Paulo sitzt die Agentur RocNation. Gegründet vom US-Musiker Jay Z. Real Madrid-Star Vini Jr. arbeitet mit der Agentur zusammen und das wohl nächste brasilianische Supertalent: Endrick. "Man kann man mit Fug und Recht behaupten, dass er das Zeug zu einem Sportler hat, der als einer der größten aller Zeiten in die brasilianische Fußballgeschichte eingehen wird", so Thiago Freitas. PR-Termine gehören zum Job. Der Stürmer, der gerade mit Palmeiras brasilianischer Meister wurde, ziert Titelseiten in Sport- und Modemagazinen, sammelt Preise und Titel. Sein Charakter ernst – die Ziele selbstbewusst: "Ich möchte ein Idol für Kinder sein, die da draußen kicken. Ich denke, das wird mir auch gelingen. Ich will, dass sie verstehen: wenn ich es geschafft habe, können sie es auch schaffen. Ich möchte, dass sie so denken."

Mit 16 für 72 Millionen von Real Madrid gekauft

Mit 16 Jahren hat ihn Real Madrid für 72 Millionen Euro gekauft. Wenn er im Juli 18 wird, geht er nach Europa – für einen ehrgeizigen Fußballer, sei das das einzig wahre Ziel. "In Europa sind die besten Spieler, in allen Vereinen, in allen Ligen, in allen Wettkämpfen. Die Positionen sind immer umkämpft. Es werden immer die Besten der Besten spielen. Und noch dazu bei Real Madrid, ein wunderbarer Verein, zu dem ich schon immer gehen wollte." Ein eigener Gesundheitscoach, eine bildschöne Freundin, ein persönlicher Koch. Für den 17-Jährigen bereits normal. Noch vor wenigen Jahren war die Familie bitterarm. Heute geht es um mehrere, sehr lukrative Verträge. An jedem Profi-Spieler hängt ein Verfallsdatum, sagt Thiago. Zeit ist Geld – für alle. "Ja, es sind viele Angebote, es geht um viel Geld. Wie schon immer in der Geschichte der Menschheit. Was begehrt wird, kostet viel."

Zwei Männer beobachten Fußballspiel
Auf der Suche nach neuen Talenten | Bild: SWR

Die Suche nach Talenten führt Thiago und seinen Kollegen Lucas auf die Bolzplätze Brasiliens, zu Jugendwettkämpfen. Das riesige Land hat einen riesigen Pool von Talenten, die nur darauf warten, entdeckt zu werden. Und viele Talentscouts, die sie entdecken wollen. RocNation lebt von einer treffsicheren Talent-Auswahl. Lucas schreibt seine Beobachtung nur in Codewörtern auf, damit niemand abschauen kann. Die Spieler hier sind 16 Jahre alt. Heute gilt das als fast schon zu alt, um sie noch auf Spitzenniveau zu bringen. "In dem Spiel hier sehe ich keinen Spieler, der für unsere Agentur von Interesse wäre." Glatt gelogen, stellt sich heraus. Lucas wollte seine Entdeckung vor den anderen Scouts nur nicht preisgeben. Nur selten schlagen sie zu. Thiago macht Nägel mit Köpfen und spricht den Clubchef an. "Zwei Spieler sind interessant." Der erste Schritt ist getan.

Nur wenige schaffen den Sprung nach Europa

Nebenan trainieren die Kids im Staub. Viele Kinder in Brasilien leben in armen Familien. Das mache ehrgeizig und erfinderisch. Dazu die Leidenschaft. Das präge den brasilianischen Stil, meint Thiago. "Einen brasilianischen Spieler zu decken ist schwer, die Wahrscheinlichkeit, dass er eine überraschende Finte macht, ist groß, weil sein Alltag darin besteht Lösungen für schwierige Situationen zu finden." Nur 0,05% aller Talente schaffen den Sprung nach Europa. In São Paulo läuft der Countdown. Als Kind und bis heute zockt Endrick mit den Stars von Real Madrid. In einem Monat ist er volljährig und wird Teil des Teams. "Dann habe ich hier meine eigene Figur, und kann mich selbst spielen."

Fußballer Samuel mit Familie und Talentscouts am Tisch
Samuel könnte am Beginn einer großen Karriere stehen | Bild: SWR

Ein junger Mann macht gleich den nächsten Schritt auf der Karriere-Leiter, der rausführen könnte aus der Armut. Samuels Mutter steht im Kinderzimmer ihres Sohnes, hat seit dem Anruf von Thiago kaum geschlafen. "Es passiert, es wird Wirklichkeit, das ist so wunderbar. Es ist der Traum meines Sohnes und er ist einen Schritt weiter." Es könnte ein Wendepunkt für die Familie sein. Bislang bringt Vater Josias de Sousa umgerechnet 550 Euro nach Hause. Schon in den nächsten Monaten, könnte Samuel hier der Großverdiener sein. "Es ist der Anfang einer neuen Partnerschaft zum Besten der Familie und ich hoffe es wird eine lukrative Zusammenarbeit", sagt Thiago Freitas. "Alles klar? Herzlich willkommen!"

Autorin: Xenia Böttcher, ARD-Studio Rio de Janeiro

Stand: 14.05.2024 10:39 Uhr

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