So., 25.09.22 | 18:30 Uhr
Das Erste
Brasilien: Bedrohtes Buckelwal-Paradies
Sie sind die Könige des Südatlantiks: Buckelwale. Brasiliens Buckelwale sind bedroht, vor allem, weil vor der Küste immer mehr Öl- und Gas-Plattformen schwimmen.
Im August – also im südamerikanischen Winter – beginnt in Brasilien die Wal-Saison. Die wichtigste Jahreszeit für die Forscher des "Instituto Baleia Jubarte". Die Buckelwal-Spezialisten hatten hier im vergangenen Jahr nur wenige Exemplare gesichtet. Dann die ersten Buckelwale: Sie kommen aus der Tausende Kilometer entfernten Antarktis, um in diesen nährstoffreichen Gewässern ihren Nachwuchs zur Welt zu bringen. Dieser Teil der Küste Brasiliens ist eine der artenreichsten Regionen des Atlantiks mit Korallenriffen und mehr als 1300 Tier- und Pflanzenarten – das ideale Revier für die Aufzucht der Buckelwal-Jungen.
Gefahr Öl
Ankunft der Forscher an der Abrolhos-Inselgruppe: Ihre größte Sorge ist die Verschmutzung der Meere – vor allem durch Öl. Milton Marcondes, Tierarzt "Instituto Baleia Jubarte": "Gefährlich sind vor allem leichte Ölpartikel. Wenn ein Ölfilm auf dem Meer treibt, können die Wale diese giftigen Partikel einatmen. Das schädigt ihre inneren Organe."
Sorgen bereitet den Forschern, dass zuletzt ein wichtiges Küstenschutzgebiet abgeschafft wurde und, dass die Ölindustrie immer näher rückt: 2008 wurden riesige Vorkommen 6000 Meter unter dem Meeresspiegel entdeckt. Brasiliens damaliger Präsident Lula da Silva ließ die Förderung hochfahren. Öl und Gas sollten dem Land zu Wohlstand verhelfen. Egal wer die Präsidentschaftswahl Anfang Oktober gewinnt – Brasilien dürfte weiterhin die Öl- und Gasförderung massiv ausbauen – auch wegen der Energiekrise in Europa.
Was bedeutet das für das Ökosystem rund um die Abrolhos-Inselgruppe und vor allem für die Buckelwale? Walschützer Eduardo ist alarmiert. Eduardo Camargo, "Instituto Baleia Jubarte": "Es wäre katastrophal, wenn die Ölplattformen noch näher an Abrolhos heranrücken würden. In diesem sensiblen Wal-Aufzuchtgebiet würde schon ein kleiner Unfall riesige Schäden anrichten."
Ein Warnsignal war für die Forscher das Jahr 2019: Damals wurde über Tausende Kilometer Öl an Brasiliens Küste gespült. Warum und woher ist bis heute unklar. Außerdem müssen die Wissenschaftler immer öfter Buckelwale aus Fischernetzen befreien.
Die Meeresgiganten stehen an der Spitze der maritimen Nahrungskette. Deshalb wollen die Forscher so viel wie möglich über ihre Gesundheit erfahren. Die Ergebnisse ihrer neusten Analysen liegen erst in ein paar Monaten vor. Immerhin haben sie dieses Mal extrem viele Buckelwale gesichtet, exakt 82 – in nur drei Tagen.
Autor: Matthias Ebert, ARD Rio de Janeiro
Stand: 25.09.2022 21:51 Uhr
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