So., 28.03.21 | 19:20 Uhr
Das Erste
Chile: Der Impfchampion
Das 'Vater unser' betet Priester Catalán derzeit im Seitenschiff seiner Kirche 'San Fernando Rey'. Denn den restlichen Teil hat der Geistliche freigegeben für eine dringlichere Angelegenheit. Unter den Augen des Heiligen Franziskus erhalten Chilenen hier ihre Corona-Impfung. Ein Stich im Haus Gottes. "Wir haben uns bereit erklärt, als Impfzentrum zu dienen. Wir befinden uns ja derzeit wie in einem Kriegszustand. Also müssen auch wir dem Staat helfen – und den Menschen", sagt der Priester.
Schnelles, unbürokratischen Krisenmanagement führt zum Erfolg
Chiles Gesundheitsamt nutzt derzeit landesweit mehrere Kirchen, um zügig zu impfen. Weltweit ist kaum jemand schneller als der schmale Andenstaat. "Manche sagen, dass sie zum ersten Mal seit Langem wieder eine Kirche betreten. Wir antworten dann im Scherz: Ihr müsst auf Knien eintreten", erzählt Claudia Ausset von der chilenischen Gesundheitsbehörde.
"Das geht hier richtig fix. Viele Leute kommen dran. Bald soll ja das ganze Land geimpft sein", sagt Geimpfte, Pamela Rios. Nicht nur Kirchen, auch Stadien und Parks sind Teil von Chiles Impfkampagne. Unbürokratische Lösungen – ein Grund für Chiles Impferfolg. Ein anderer hat mit ihm zu tun: Alexis Kalergis. Der Biochemiker der Katholischen Universität hat den entscheidenden Kontakt hergestellt, damit Chile früh Millionen Impfdosen erhalten konnte: "Einige Monate vor Beginn der Pandemie hatten wir eine Kooperation mit dem chinesischen Unternehmen Sinovac aufgebaut. Damals ging es um einen Impfstoff gegen eine andere Atemwegserkrankung – ähnlich den durch das Virus verursachten respiratorischen Synzytial-Infektionen."
Seine Kontakte nutzte der Wissenschaftler gleich zu Beginn der Pandemie – und führte einen wissenschaftlich-akademischen Vertrag zwischen China und Chile herbei: "Unsere wissenschaftlichen Kontakte waren entscheidend dafür, dass frühzeitig ein Vertrag auf den Weg gebracht wurde, der zuließ, dass Sinovac Chile rechtzeitig und prioritär belieferte." Neben dem Vertrag war wichtig, dass Chiles Forscher die Wirksamkeit der Vakzine nachweisen konnten. "Unsere Universität hat die wissenschaftlichen Verträge des Impf-Prozesses koordiniert, die dem chilenischen Staat Zugang zu Impfstoffen verschaffte, um einen massiven Prozess in Gang zu setzen, zusammen mit sieben weiteren Instituten und Krankenhäusern. Die Ergebnisse der Sicherheits- und Immunogenitäts-Studien werden demnächst veröffentlicht", sagt Dr. Alexis Kalergis.
Dadurch wurde, auch dank Alexis Kalergis, das Vertrauen in den chinesischen Impfstoff gestärkt. Als man in Deutschland noch Vorbehalte hatte, erklärt der Rektor der Universität: "Vor der Studie vertrauten nur 50 Prozent der Chilenen dem Wirkstoff aus China. Mittlerweile sieht das anders aus, weil wir glaubhaft machen konnten, dass er wirkt. Heute vertrauen mehr als 80 Prozent diesem Impfstoff."
Trotz hohem Impftempo ist die Pandemie nicht vorbei
Doch: Trotz des Impferfolgs steigt in Chile derzeit die Infektionskurve stark an. Deshalb wurde wieder ein strenger Lockdown verhängt. Wer auf den Straßen unterwegs ist, benötigt eine Genehmigung. "Jeder Normalbürger in der Hauptstadt Santiago darf nur zwei Mal pro Woche nach draußen. Dabei musst du dich ausweisen und einen Grund angeben. Entweder bist Du auf dem Weg zum Supermarkt oder hast einen wichtigen Termin beim Arzt", sagt Einwohner, Roberto Matus.
Deutlich mehr Infizierte trotz schnellem Fortschritt beim Impfen? Offenbar waren viele Chilenen nachlässig geworden. "Wir kommen aus dem chilenischen Sommer, wo sich die Menschen entspannen wollten. Sie haben sich nicht immer geschützt – die Strände waren voll. Viele Leute sind wieder auf Partys gegangen, obwohl diese verboten waren", sagt Ignacio Sanchez, der Direktor der 'Universidad Católica'. Vorerst also müssen sich die Menschen in Chile gedulden, bis sie ihre volle Freiheit zurückerlangen.
Autor: Matthias Ebert / ARD Studio Rio de Janeiro
Stand: 31.03.2021 10:26 Uhr
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