Mo., 09.01.17 | 04:50 Uhr
Das Erste
China: Rote Karte für Mätressen – zweite Chance für die Ehe
Die Agentur nennt sich "Krankenhaus für die Ehe": Schanghai, 18. Stock – das Team bereitet sich auf den nächsten Einsatz vor. Ming Li ist die Chefin hier, ihr Spezialgebiet: Vertreibung von Mätressen. Die Aufträge kommen fast immer von betrogenen Ehefrauen, die noch einen Rest Hoffnung haben.
Ming Li, Eheberatung "Weiqing": "Zunächst tolerieren die Ehefrauen meist die Affäre, denn bei einer Scheidung wird der Ehemann mindestens die Hälfte des Vermögens mitnehmen. Eine Trennung wäre auch nicht gut für die Kinder. Vielleicht verdient der Ehemann ja in der Zukunft noch viel mehr Geld, das dann alles der Geliebten zusteht. Mit solchen Überlegungen bleiben die Ehefrauen erstmal tolerant."
Konspirative Kontaktaufnahme
Ming Li schickt ihr Team zur ersten Kontaktaufnahme: Die Geliebte hat ein Restaurant. Die Mitarbeiter der Agentur tragen falsche Namen, haben erfundene Lebensläufe, und schleichen sich so in das Leben der Nebenbuhlerin ein – ein Job zwischen Eheberatung und Agentenleben. Sie müssen das Vertrauen der Geliebten gewinnen, um sie dann zu beeinflussen. Yu Ruocheng hat wie die meisten eine psychologische Ausbildung: "Dieser Fall ist weniger kompliziert: Die Geliebte hat ein Restaurant, deshalb haben wir leichteren Zugang zu ihr. Schwieriger ist es, wenn die Geliebte Hausfrau oder Büroangestellte ist. Dann müssen wir uns mit ihren Tagesabläufen vertraut machen und planen, wann, wo und wie wir ihr am besten begegnen können. Oder wir müssen am Telefon so tun als hätten wir uns verwählt."
Ankunft am Restaurant, sie geben vor, ganz normale Kunden zu sein.
Eine Eheberatung nur für die Betrogene
Bei Ming Li in der Agentur sitzt die betrogene Ehefrau, sie will nicht erkannt werden. 48 Jahre alt, sie ist niedergeschlagen, nervös. Mit einem versteckten Aufnahmegerät und GPS-Ortung kam sie ihrem Mann auf die Schliche, der keine Ahnung hat, dass seine Affäre schon aufgeflogen ist. Erst dachte die betrogene Frau über Scheidung nach. Dann kam die Angst vor der Zukunft, vorm finanziellen Abstieg und dem Alleinsein. Sie will nicht aufgeben: "Nach einer Scheidung würde es mir nicht besser gehen; das wäre der falsche Weg. An Scheidung denke ich nur, wenn die Wut hoch kommt. Tief in mir will ich mein Leben weiter mit ihm verbringen. Ich will nicht, dass meine Familie einfach so verschwindet, nach über 20 Jahren, mit allen Auf und Abs."
Die Kundin wird beraten, was sie selbst ändern muss, um die Ehe wieder glücklicher zu machen. Um die Geliebte kümmert sich derweil Ming Li. Sie hat sich als Eheexpertin in Shanghai einen Namen gemacht. Bei den geheimen Unterwanderungen der Affären hat sie keine Skrupel, es gehe um den Schutz der Familien: "Die Geliebten sind wie Tumore. Wir müssen erst den Tumor entfernen, dann müssen wir uns um die Ehe kümmern und die Probleme lösen, die Konflikte beseitigen, damit beide Partner in der Ehe wachsen können."
Die Operation "Geliebten-Vertreibung" läuft an: Wir filmen heimlich am Nebentisch. Die betrogene Ehefrau vermutet, das Geld fürs Restaurant stamme von ihrem Ehemann. Die Geliebte ist etwa Anfang 30. Herr Yu und sein Team wollen mit ihr ins Gespräch kommen. Sie steht hinterm Tresen. Sie geben vor, an einer Essensbestellung für ein Firmenfest interessiert zu sein. Die Tarnung darf nie auffliegen. Die Geliebte würde wütend und die Affäre erst recht weiterführen, befürchten die Eheretter.
Reiche Männer und junge Frauen
In China kommt es häufiger vor, dass sich reiche Männer mit jungen Geliebten schmücken, für sie Wohnungen mieten, sie mit Luxus ausstatten. Man nennt die Damen Xiaosan, "die kleine drei", sie gelten als einer der Hauptgründe für die rund 10.000 Scheidungen pro Tag in China.
Die Agentur berät bei allen Eheproblemen. Die Mitarbeiter unterwandern Affären nur, wenn sie selbst noch eine Chance sehen. Und die Kundinnen müssen Geld haben: mehrere 10.000 Euro kostet der Dienst – ohne Geld-zurück-Garantie. Der aufwendige Service wird immer häufiger nachgefragt, auch in anderen Städten.
Ein Job für die Geliebte oder "Liebestransfer"
Frau Li lädt die Mitarbeiter zur Besprechung: Wie soll jeweils vorgegangen werden? Die Fälle dauern drei bis sechs Monate: Mal mieten die Geliebten-Vertreiber die Nachbarwohnung an, mal lotsen sie die Mätresse mit einem Jobangebot in eine andere Stadt. Oder sie versuchen, sie mit einem anderen Mann zu verkuppeln – in der Fachsprache: Liebestransfer. Die Methoden sind vielfältig, manche umstritten, aber fast immer erfolgreich, behauptet die Agentur, denn die kleinen Dreien haben einen wunden Punkt: sie bleiben immer nur die Nummer 2 und haben oft Angst vor den Ehefrauen.
Ming Li vom "Krankenhaus für die Ehe": "Die Geliebten müssen die Beziehungen immer verheimlichen und leben in Sorge, dass alles rauskommt. Deshalb säen wir Zweifel: Wollen sie wirklich ihr ganzes Leben als Mätresse verbringen? Der Mann wird sie nie seinen Eltern vorstellen. Alle Feiertage muss sie alleine verbringen, denn er ist bei seiner Familie. Für die Reichen sind die Geliebten doch nur ein Zeitvertreib!"
Im Restaurant ist die Stimmung schon gelöster. Auch das Geheimkommando will der Geliebten bald die Affäre und den Ehemann madig machen. Die Frau scheint keinen Verdacht zu schöpfen und wird in den nächsten Tagen wieder von den freundlichen Gästen hören. Die sind zufrieden mit dem ersten Abend. Geliebten-Jäger Yu sagt, er vertreibe pro Jahr unbemerkt etwa zehn Nebenbuhlerinnen, um die Ehen zu retten. Und auch in diesem Fall sind sie zuversichtlich: "Wir werden hier einen Liebestransfer versuchen. Wir müssen die ersten Kontakte machen. Wenn sie sich öffnet und mit uns über ihre Gefühle spricht, gehen wir einen Schritt weiter und sagen ihr, was am besten wäre. Dann werden wir sie mit Männern zusammen bringen, zum Beispiel beim Karaoke singen. Es muss ganz natürlich wirken."
Wenn der Fall gelöst ist, werden sie sich aus dem Leben der ahnungslosen Geliebten zurückziehen, als hätte es sie nie gegeben.
Autor: Mario Schmidt, ARD Peking
Stand: 13.07.2019 15:51 Uhr
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