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China: Klimaengel statt Umweltsünder?

Der Traum von einem Leben ohne Smog – hier nimmt er Gestalt an. 1100 Kilometer nordwestlich von Peking entsteht die größte Solaranlage der Welt. Ningxia, mit sechs Millionen-Einwohnern eine kleine Provinz im riesigen Land. Viele Sonnenstunden, reichlich Einöde und großer Ehrgeiz, die Energiewende voranzutreiben.

China investierte 78 Milliarden US-Dollar in erneuerbare Energien

China: Alle vier Kohlekraftwerke in Peking sind geschlossen – China setzt auf erneuerbare Energien
China: Alle vier Kohlekraftwerke in Peking sind geschlossen – China setzt auf erneuerbare Energien

Dass China auf dem richtigen Weg ist, davon ist Ingenieur Zhang überzeugt. Als hier zu Beginn 4000 Arbeiter loslegten, war er stolz, einer von ihnen zu sein. "Erneuerbare Energien sind eine historische Chance. Wir können hier 800.000 Tonnen Kohle pro Jahr einsparen und damit den Ausstoß von Treibhausgasen dramatisch reduzieren." Wenn die Anlage in vollem Betrieb ist, wollen Herr Zhang und Kollegen sicherstellen, dass zwei Millionen Haushalte mit grüner Energie versorgt werden. Und ihr Projekt ist nur eines von etlichen im Land.

Allein im vergangenen Jahr investierte China etwa 78 Milliarden US-Dollar in erneuerbare Energien, verglichen mit 13 Milliarden in Deutschland. Bis 2020 will China 361 Milliarden US-Dollar ausgeben. Einsame Weltspitze.

Auch Windparks schießen in Ningxia wie überall im Land aus dem Boden. Doch die Probleme sind ebenfalls nicht zu übersehen. Die Reform der chinesischen Wirtschaft, weg von der Schwerindustrie wie Stahl – geht nur langsam voran. Die Energie kommt immer noch zu gut zwei Dritteln aus der Kohle. Jahrelang stieg der Verbrauch, nun ist der Trend immerhin gestoppt.

Bevölkerung will saubere Luft und Wasser

China: Ein Meer von Solarzellen – in Ningxia entsteht die größte Anlage der Welt
China: Ein Meer von Solarzellen – in Ningxia entsteht die größte Anlage der Welt

Auch im oft unter Smog leidenden Peking ändern sich die Dinge allmählich. Alle vier Kohlekraftwerke der Stadt sind nun geschlossen. Ma Jun ist so etwas wie das grüne Gewissen des Landes, seine Umweltschutz-Organisation sammelt Daten über das Ausmaß der Zerstörung. In der Bevölkerung hat ein Umdenken eingesetzt. "Wenn Sie vor zehn Jahren Leute gefragt hätten, dann hätten viele vielleicht gesagt, wir müssen uns zu erst entwickeln. Aber ich denke, wenn man jetzt mit ihnen redet, ist die Antwort sehr wahrscheinlich, wir brauchen saubere Luft, sauberes Wasser, sicheres Essen", sagt Ma Jun vom Institute for Public and Environmental Affairs.

Die Unzufriedenheit in der Bevölkerung setzt Chinas Führung unter Druck. Die Pekinger radeln wieder dank Zehntausender Leihfahrräder. Viele Fabriken wurden geschlossen. Trotz aller Umweltmaßnahmen kommt der Smog aber immer wieder, vor allem wenn der Wind aus der falschen Richtung weht.

Umsetzung der Umweltgesetze ist ein Problem

China: Allein im vergangenen Jahr investierte China 78 Milliarden US-Dollar in erneuerbare Energien
China: Allein im vergangenen Jahr investierte China 78 Milliarden US-Dollar in erneuerbare Energien

Dieses Video zeigt im Zeitraffer, wie die Stadt Anfang des Jahres in 20 Minuten im Smog verschwindet. Schuld sind die Nachbarprovinzen. Dort ist die Kohle-Lobby stark, die lokalen Beamten gucken häufiger weg, es geht auch um viele Arbeitsplätze. Die Umsetzung der Umweltgesetze ist ein Problem. Auch deshalb gehen vom weltweiten CO2-Austoß etwa 28 Prozent auf Chinas Konto, zweitgrößter Verschmutzer sind die USA mit rund 16 Prozent.

Umweltaktivist Ma Jun hat Zugang zu Emissions- und Abwasserdaten von tausenden Messstationen. 300.000 Firmen mit Emissionsverstößen sind bereits in seiner Datei. Die Regierung ist auf seiner Seite. Jeder Chinese kann online sehen, welche Fabrik Umweltauflagen gebrochen hat. Auch Unternehmen nutzen seine Daten und machen davon Auftragsvergaben abhängig.

"Bevor große Firmen wie Apple, Adidas oder Wal Mart Verträge mit lokalen Zulieferern abschließen, gucken sie sich unsere Liste mit den Verstößen an und motivieren diese Firmen so, ihr Verhalten zu korrigieren", erzählt Ma Jun.

China als Klimaschützer?

China: In Ningxia entsteht die größte Solaranlage der Welt
China: In Ningxia entsteht die größte Solaranlage der Welt

Die Bevölkerung kann Fotos von Umweltvergehen hochladen, die erscheinen für alle sichtbar in seiner App und gehen direkt an die lokalen Behörden. Das wirkt. Greenpeace findet lobende Worte für Chinas grünen Kurs, kritisiert aber das Verhalten im Ausland. Die Staatsbetriebe weichen in andere Länder aus, weil ihnen zu Hause der Markt weggebrochen ist.

"Chinas Unternehmen und Banken gehören zu den größten Entwicklern und Geldgebern von Kohlekraftwerken im Ausland von Vietnam, Afrika bis Indonesien. Das ist eine sehr schädliche Entwicklung", sagt Lauri Myllyvirta von Greenpeace China.

Im Land selbst gibt es noch viele Probleme, die Einspeisung ins Stromnetz etwa, große Kapazitäten bleiben ungenutzt.

Auch Ingenieur Zhang kennt die Widersprüche. Ob China trotzdem eine glaubwürdige Führungsrolle als Klimaschützer übernehmen kann? Zumindest der Ingenieur aus Ningxia ist sich da sicher. Man müsse sich doch nur einmal umschauen.

Autor: Mario Schmidt/ARD Studio Peking

Stand: 16.07.2019 05:47 Uhr

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