So., 06.02.22 | 18:30 Uhr
Das Erste
China: Sex, Liebe, Tabu
Nähe zulassen, einander wieder spüren. Die Sexual-Therapeutin Luo Nanxi schwört, dass sie helfen kann, wenn es in Beziehung und Bett schwierig wird. Zhong Zhan war so verzweifelt, dass er sich traute Hilfe zu suchen. Bei der Geburt ihres Sohnes war seine Frau Yan Jinying fast verblutet. Drei Wochen künstliches Koma, als sie dann aufwachte, erfuhr sie, dass bei einer Not-OP ihre Gebärmutter entfernt worden war. "Ich fühlte mich nicht mehr als normale Frau, als würde ich ohne Gebärmutter aufhören Frau zu sein. Die ganze Zeit spukte in meinem Kopf: Ich habe es nicht länger verdient Frau zu sein. Mein Mann versuchte, mir ständig das auszureden", erzählt sie. "Wenn du Probleme hast, musst du sie lösen, sonst jagen sie dich ein Leben lang", sagt Zhong Zhan und seine Frau entgegnet: "Das hat er mir oft gesagt."
Yang und Zhong wollen wieder zueinanderfinden
Das Paar lebt in der Industriestadt Dongguan. Hier produzieren sie für die Weltmärkte. Zhong Zhan hat eine Nähwerkstatt direkt über der Wohnung. Wenn er hier mal Probleme hat – mit Mitarbeitern oder Geschäftspartnern – weiß er sich zu helfen. Aber Probleme in seiner Ehe? Dass seine Frau depressiv wurde und die Lust am Sex verloren hatte, das ließ ihn um ihre Beziehung fürchten: "Ich wollte wirklich nicht in einer asexuellen Ehe leben so wie Freunde von mir nach ein paar Jahren. Dann mache ich lieber Schluss. Manche Männer glauben auch Sex mit ihnen wäre toll, ihre Frauen denken das aber nicht, das kann zu einem Riss zwischen beiden führen."
Eine Mission für diese Frau: Von ihrem Büro aus optimiert Luo Nanxi das Sexleben von Chinesinnen und Chinesen. Die selbstständige Beraterin hat ihren Beruf aus dem Ausland mitgebracht, jetzt berät sie Paare oder gibt Gruppenseminare. "Ich hatte die Idee in den USA. Ich wusste damals nicht, dass ich damit Karriere machen würde. Das hat lange gedauert. Damals habe ich einen Sexspielzeug-Workshop besucht, da ging es auch grundsätzlich um Sexualerziehung. Das war super interessant", erzählt die Beraterin.
Nachdem sie Sexual- und Psychotherapie studiert hatte, kam sie nach China zurück und startete ihr Business. Jetzt lehrt sie wie Sexspielzeuge funktionieren, aber auch die richtige Lebenseinstellung. Im Restaurant trifft die 31-Jährige ihre Freunde. Essen, Trinken, Sex. Das sind alles menschliche Grundbedürfnisse, sagt Luo Nanxi. Zumindest in den modernen Metropolen wie Shenzhen, Shanghai oder Peking trauen sich die Menschen schon zu ihren Sex-Workshops. "Wenn sie sich von Zwängen befreien, sind viele chinesische Männer und Frauen in meinen Kursen viel offener als Menschen aus westlichen Ländern. Sie wurden stark unterdrückt, aber wenn bei ihnen der Frühling ausbricht, sind sie richtig befreit", sagt sie.
Sex: Immer noch Tabuthema
Spaß am Sex haben. Normal für ihre Freunde – denn viele von ihnen haben im Ausland gelebt und sind, so wie Swan, erst Anfang 30: "Man sagt, Menschen in China sind konservativ, in echt sind sie nicht konservativ, sondern sexuell unterdrückt. Denn aus chinesischer Sicht ist Sex ungesund und schändlich."
In der Wohnung von Sex-Beraterin Luo Nanxi. Heute kommen Yan und Zhong zur Paar-Beratung. Dazu geht’s ins Schlafzimmer. Sich auf den anderen ganz und gar einzulassen ist die Übung heute. Sich spüren und sich öffnen für die Sorgen des anderen und einander Geborgenheit geben. "Wir hatten Zeiten voll Verwirrung und ich war am Rande des Todes", sagt Yan. Eine Nähe, für die in ihrem Alltag oft kein Platz ist. "Ich wollte eigentlich lachen, ich habe das unterdrückt, aber dann sind irgendwie die ganzen Emotionen rausgekommen", erzählt Zhong.
Für Luo Nanxi ist das gegenseitige Zuhören der Schlüssel, auch zu gutem Sex: "Wenn die beiden mehr über Sex wissen, gibt es weniger Missverständnisse und Konflikte. Beide versuchen, mehr über die Gedanken des anderen zu erfahren. Das hilft normalerweise, Ehekonflikte zu überwinden." Zurück zu Hause wollen sie uns etwas zeigen, worüber ihr Sohn nichts wissen soll. Im Schafzimmer hat das Paar jetzt einen Teil der Lösung ihrer Probleme, gleich in mehreren Schubladen und Schränken. Die Idee dazu kam von der Sex-Beraterin. Je nach Stimmung das richtige Zubehör. "Ich mache mir Sorgen, wenn unser Sohn das sieht, könnte ihn das psychisch belasten", sagt Yan. Zhong widerspricht: "Ich glaube nicht, dass ihn das traumatisiert, aber wenn er uns nachahmt, wäre das blöd. Wenn er irgendwo solchen Bewegungen macht."
Die Depression nach der Geburt konnten sie überwinden und es gibt neue Ideen: "Manchmal mache ich ihn jetzt an, springe auf ihn drauf, das war plötzlich neu. Mein altes Ich hat das nie gemacht. Er war ziemlich überrascht, sehr überrascht!", erzählt Yan. Sie waren mutig, haben sich getraut Hilfe zu suchen – und so haben Yan und Zhong wieder zueinander gefunden.
Autor: Daniel Satra/ARD Studio Peking
Stand: 06.02.2022 19:56 Uhr
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