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Dagestan: Putins Freunde

Dagestan: Putins Freunde | Bild: picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Alexander Kazakov

Das ist Raisat, gerade mal acht Jahre alt, in ihrem Heimatort Derbent, in Dagestan. Im Nordkaukasus. Munter schaukelt sie hier vor sich hin – fast so als sei alles ganz normal. Dabei hat sie gerade einen ziemlichen Höhenflug hingelegt. Und ist für ein paar Tage zu einer kleinen Berühmtheit geworden. Hier, wo Raisat so gern schaukelt, genau auf diesem Platz – taucht Ende Juni völlig überraschend Russlands Präsident Putin auf. Die Teilrepublik Dagestan gilt als besonders Putin-freundlich, hier wird er fast gefeiert wie ein Pop-Star. Es ist sein erster öffentlicher Auftritt nach dem sogenannten Wagner-Aufstand. Er, der bisher als eher öffentlichkeitsscheu gilt, macht plötzlich Selfies und verteilt Küsschen.

Nur eine kommt beim besten Willen offenbar nicht dicht genug an ihn heran – die kleine Raisat. Dieses Video, angeblich von ihrer Mutter im Netz veröffentlicht, geht viral. "Ich hab ihn gar nicht gesehen, die Leute haben alle geschubst", weint sie. Eine Geschichte, wie für PR-Berater gemacht. Putin lässt sie kurzerhand nach Moskau einfliegen, Blumen für die kleine Raisat und für die Mama. "Deine Reaktion hat mich sehr berührt. Und da ich selbst nicht so oft reisen kann, Moskau nicht verlassen kann, habe ich beschlossen dich einzuladen, mit deiner Mama und deinem Papa", sagt Wladimir Putin.

Ein menschelnder Präsident, der für eine der ärmsten Teilrepubliken auch noch die Spendierhosen anhat – im Kreml weiß man sehr genau um die Macht solcher Bilder. Und so darf Raisat sogar noch mit dem Finanzminister telefonieren. Und der lässt – ganz im Sinne von Putin – mal eben die Rubel Richtung Dagestan rollen. "Du hast gerade für Dagestan fünf Milliarden Rubel bekommen", erklärt Putin ihr. Die kann die kleine Teil-Republik dringend gebrauchen, aber erst einmal muss die Familie die Reise verarbeiten. "Ich hätte nicht eine Minute lang geglaubt, dass ich mich mit dem Präsidenten unseres Landes auf einer Ebene unterhalten kann. Ich hätte nicht gedacht, dass ich überhaupt ein Wort raus bringe, deshalb habe ich Baldrian genommen", erzählt Raisats Vater Ahmed Akipov. "Nun ich wollte ihn einfach sehen, weil er mein Land verteidigt und ich ihn liebe. Einige haben mir zu meinem Treffen mit Putin gratuliert, andere sind neidisch, vor allem die Jungs", sagt das Mädchen.

Die Teilrepublik dank Putin im Aufschwung?

Wir machen uns auf Spurensuche. Raisat, ein gut inszenierter Einzelfall, oder ist man hier in der knapp drei-Millionen-Einwohner:innen-Republik Dagestan tatsächlich so Putin-freundlich, wie immer wieder berichtet wird? Vor ein paar Jahren noch das Pulverfass in der Region, Unruheprovinz mit islamischen Untergrundkämpfern. Gezielt gesteuert aus Moskau versucht man nun einen Imagewandel – Tourismus statt Terrorismus. Und so drehen die vor allem einheimischen Tourist:innen ihre Runden im Sulaksyi Canyon – auch weil sie wegen des Ukraine Krieges weniger ins Ausland reisen können, besteigen einheimische Berge und staunen über die einzigartige Natur, die ihr eigenes Land zu bieten hat. In die Touristenhotspots ist kräftig investiert worden.

Dagestan: Die russische Teilrepublik Dagestan wird bei Touristen immer beliebter.
Dagestan: Die russische Teilrepublik Dagestan wird bei Touristen immer beliebter. | Bild: WDR

Und vermutlich nicht ganz zufällig – gibt es ausgerechnet hier eine Putin-Straße – sagt zumindest die Navigation, ein Straßenschild suchen wir vergebens, aber wir finden Hussein, der seit einigen Jahren hier wohnt. "Es ist hier ziemlich laut. An anderen Orten ist es viel ruhiger", sagt er. Bedeutet es etwas für Sie, dass Sie auf der Putin Straße wohnen? "Nein, eher nicht." Bedeutet Ihnen Putin etwas? "Nun, das ist schon eine schwierige Frage."

Und wo Tourist:innen sind – braucht es auch Souvenirs. Die fertigt noch ganz traditionell die 46-jährige Zariyat mit ihrer Familie in Machatschkala, der Hauptstadt von Dagestan. Ihr Mann Rassul färbt die Fäden für die Teppiche und für den Hof mit über 100 Tieren ist die kleine Semkili verantwortlich. Und weil ihr Land im Umbruch ist und die Zeiten sich geändert haben, verkaufen sie nicht nur auf dem Markt, sondern auch im Internet. "Ich war immer ein Fan von unserem Präsidenten. Das sind keine leeren Worte, ich habe ihn immer unterstützt, wann immer eine Wahl anstand, habe ich für ihn gestimmt. Und in letzter Zeit hat er wahrscheinlich dazu beigetragen, dass sich in Dagestan alles so gut entwickelt", findet Zariyat Gadjibragimova.

Doch in der Teilrepublik brodelt es durchaus, denn ausgerechnet aus den entlegenen Regionen Russlands, etwa wie Dagestan, werden aktuell die meisten Soldaten für den Ukrainekrieg eingezogen, sagen Menschenrechtsorganisationen. Und Zaryiat sucht nach Erklärungen, auch für sich selbst: "Die Spezialoperation ist natürlich eine traurige Sache, nun – was soll ich sagen. Natürlich ist es traurig und schmerzhaft für alle, was hier passiert. Es gibt viele Verwandte, die dort gestorben sind. Ich weiß nicht, ob es Schicksal ist oder etwas anderes oder Politik. Ich kann nichts sagen.“

Diese Straße etwas außerhalb von Machatschkala sagt jedenfalls mehr als genug. Die in der Ukraine gefallenen Soldaten – hier werden sie als Helden geehrt, gefallen für das russische Vaterland. In vielen der umliegenden Bergdörfer gibt es Opfer. So auch in Halimbekaul erzählt uns der 72-jährige Abakar: "Nun, hier sind es etwa fünf oder sechs Leute. Auch im Nachbardorf gibt es drei oder vier Tote. Also in jedem Dorf hier gibt es einige, bis zu zehn Personen."

Die kleine Raisat versteht noch nichts von der großen Politik. Und warum ausgerechnet sie in diesen Zeiten in den Kreml eingeladen worden ist. Vielleicht wenn sie älter ist, versteht sie es dann doch irgendwann.

Autorin: Sabine Krebs / ARD Moskau

Stand: 27.08.2023 18:30 Uhr

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