Mo., 12.03.18 | 04:50 Uhr
Das Erste
Ecuador: Die teuerste Schokolade der Welt
Lange galt Servio Pachard als Spinner, weil er auf ertragsarme Kakao-Pflanzen im Dschungel von Ecuador setzte. 5.300 Jahre alt ist die Sorte "Nacional". Wenig Ertrag, aber das Aroma sei umwerfend. Wenig Ertrag, aber das Aroma sei umwerfend. Seine Beharrlichkeit oder sein Starrsinn zahlt sich jetzt für Servio aus. Der Kakao, den er erntet, ist der Rohstoff für die teuerste Schokolade der Welt. 350 US Dollar für eine Tafel Schokolade. Eine Reportage von Xenia Böttcher (ARD-Studio Mexiko).
Es ist gerade mal fünf Uhr früh und noch vor den Hühnern ist Servio Pachard auf den Beinen. Noch versunken in seine Schokolade und dem Konzert der erwachenden Vögel. Servio bewirtschaftet das Land rund um seine Finca schon in vierter Generation. Alleinerziehender Vater von sechs Kindern. Er will ein Leben mit der Natur, so wie seine Vorfahren es lehrten. Keine Massenproduktion, keine Chemikalien, das macht Servio zum Ökobauern und das macht ihn hier zum Sonderling: "Alle nennen mich hier den Verrückten. Aber dieser Boden ist nicht meiner, er ist geliehen, ich bin nur zu Besuch dafür 50, 60, 70 Jahre. Er bleibt für die künftigen Generationen."
Wenig Ertrag, hohe Qualität
Belächelt, weil er nicht auf Masse setzt. Doch jetzt wendet sich das Blatt. Denn Servio hilft den vielleicht ältesten Kakao der Welt zu retten. Den reinen Kakao Nacional, 5300 Jahre alt. Die aromatischste Sorte und doch vom Aussterben bedroht! "Diese Sorte produziert wirklich wenig. Die Bauern wollen Pflanzen, die viel Kakao produzieren, aber bei diesen mit den wenigen Früchten ist es, wo sich der Geschmack konzentriert, das Aroma, die Qualität, das was wir suchen."
Ecuador. Heimat der vielleicht ältesten Kakao-Bäume der Welt. Die süße Frucht ist die Lebensrundlage vieler Menschen hier. Darum setzen sie auch auf Pflanzen, die viel Kakao produzieren. Die älteste Sorte verschwindet. Die Wende beginnt mit einem Amerikaner: Jerry Toth. Seit 10 Jahren lebt er in Ecuador. Kämpft gegen die Abholzung, forstet auf. Auch Kakaobäume. Er hört vom Aussterben des reinen Kakao Nacional, will ihn finden. Er trifft Servio. Wo könnte die Ursorte noch wachsen? Servio weiß, im abgelegenen Tal "Piedra de Plata" stehen besonders alte Bäume. Er weiß es von seinen Vorfahren, die nicht alle lesen und schreiben konnten, aber ihre Natur kannten: "Meine Oma konnte mit der Küche gar nichts anfangen. Sie war die Starke im Haus. Sie liebte die Feldarbeit, war immer mit ihrer Machete unterwegs, zu allem entschlossen."
Kein Ökospinner mehr
Unter den alten Bäumen erweisen sich tatsächlich einige wenige als Ursorte. Unter zigtausend anderen gefunden. Ein DNA-Test bringt die Gewissheit. Eine Rarität, nur ein Prozent gibt es davon noch im ganzen Land. Hohe Qualität und kleine Mengen, was zuvor den Menschen hier wertlos schien ist in anderem Lichte ein Luxusprodukt: "Gib den Menschen einen Grund innezuhalten, statt einfach nebenbei was in den Mund zu schieben", meint Jerry Toth. "Ein bewusstes Genießen so wie man eine gute Flasche Wein genießt."
Hier wird also gerade die teuerste Kakao-Frucht der Welt geerntet – wenn die beiden ihren kostbaren Rohstoff nicht selbst aufessen. "Ja, wir sind echt gut darin unsere Schokolade aufzuessen", sagt Jerry Toth. Es ist die erste Ernte der Saison, die Stimmung der Nachbarn fast schon festlich. Auch sie verdienen an den kleinen Mengen, die sie liefern können. "Die zahlen viel besser, doppelt so viel!" Die Männer sind stolz auf ihr besonderes Produkt. Nun ist Servio kein Ökospinner mehr, sondern ein Held.
Für Qualitätsstichproben wird jede Kiste mit dem Namen des Landwirts versehen. Um gelegentlich zu prüfen, dass es auch wirklich der reine Kakao National ist. Unwetterphänomene, die Regenzeit und das warme Klima, alles das hat Einfluss auf die Kakaobohnen. "Die Schokolade ist eine Geschmacksexplosion im Mund, die noch lange anhält nachdem du sie gegessen hast", sagt Servio Pachard, "eine Befriedigung und du willst immer weiter essen, immer."
310 Euro für 50 Gramm
In Ecuadors Hauptstadt Quito wird aus der kostbaren Bohne gleich Schokolade. Hier treffen wir den Dritten im Bunde: Carl Schweizer, ein Österreicher. All die Arbeit von Servio und Jerry liegt jetzt in seinen Händen. "Wenn du die Zeit übersiehst, verbrennst du den Kakao und damit ist die Schokolade auch hinüber." Carl kam für den Zivildienst nach Ecuador, hat Straßenkindern geholfen. Jetzt ist er Chocolatier. Ein Chocolatier mit einer Vision: etwas zu erhalten und bewusst zu genießen: "Weil wir über die Industrialisierung viel Aroma und Qualität verloren haben und es für meine Generation meiner Meinung nach an der Zeit ist solche Dinge, zu beschützen und wiederzuentdecken."
Bis zu 310 Euro für eine 50-Gramm Tafel, ein stolzer Preis. Ein Preis der erst fällt, wenn es wieder mehr Bäume der Ursorte gibt. Daran arbeiten sie hier. Einige Bauern wollen es jetzt Servio nachmachen. Kleine Mengen, nachhaltig: "Am Anfang war es nur ein Traum und was für ein Glück es läuft", erzählt Servio Pachard. "Und das macht mich zufrieden und glücklich, es ist ein Erfolg in meinem Leben." Eine gute erste Ernte. Jetzt müssen die Kakao-Bohnen fermentieren. Dafür braucht es Servios Erfahrung und etwas Zeit. Für heute ist die Arbeit getan.
Stand: 01.08.2019 09:11 Uhr
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