Mo., 12.03.18 | 04:50 Uhr
Das Erste
Indien: 50 Jahre Hippie-Bewegung
Es sollte der Aufbruch in ein neues Zeitalter werden. Den Zopf der verfilzten und gehassten Traditionen wollten sie abschneiden. Daraus entstand die Hippie-Bewegung. 50 Jahre ist das jetzt her. Indien zog die Hippies magisch an, zu Tausenden brachen sie auf, um dort Erleuchtung zu finden.
Rishikesh war so ein Sehnsuchtsort. Hier meditierten die Beatles. Markus Spieker ist an den Ort zurückgekehrt – 50 Jahre später. Yoga zwischen Kommerz und Versenkung. Gestrandete Hippies und neu Erleuchtete zwischen Beatles-Kult, Überfüllung und Meditation. Eine Reportage von Markus Spieker (ARD-Studio Neu Delhi).
Indien von seiner ganz besonders idyllischen und heiligen Seite. Aus dem Himalaya kommt der verehrte Fluss Ganges herab und an seinen Ufern ist Erleuchtung angeblich garantiert. Dass sich das herumgesprochen hat, verdankt Rishikesh ihnen. John, George, Paul, Ringo. Natürlich nicht die echten Beatles, sondern eine Coverband. Zur Freude der Fans wurden sie zum Jubiläum vom Touristikminister eingeflogen. "Der Westen wurde damals vom Osten geprägt", sagt der Beatles-Fan Meena Bhandari."Die Beatles sind hergekommen, um Frieden zu finden, und den haben sie auch gefunden in Indien, vor allem in Rishkikesh." Und Peter John Mueller, ein anderer Beatles Fan, ergänzt: "Es hieß damals, die Beatles sind größer als Gott, aber alles ist Gott, und Rishikesh hat ihnen geholfen, zu Gott zu werden." …und auf jeden Fall: zu besseren Musikern zu werden. Das bestätigt die Band, die wie das Original aus Liverpool kommt. "Rishikesh hatte eine große Wirkung auf die Beatles. Ihr berühmtes White Album wurde hier geschrieben", sagt ein Mitglied der Coverband. "Sie haben komplett neue Musik komponiert, die zum Inbegriff für die Sechziger wurde. Es ist toll, hier zu sein."
Der Ashram ist jetzt Museum
Hier, wo die Beatles hausten. Hoch über dem Ganges, im Ashram ihres Gurus Maharishi Manesh Yogi, der auch die sogenannten Transzendentalen Meditation, kurz TM, begründete. Der Ashram ist seit vielen Jahren verwaist und dient neuerdings als Museum. Eine Ausstellung führt zurück in die Wochen, als die Beatles mit fünfzig Gleichgesinnten meditierten und musizierten. Bis sie vorzeitig abreisten. Angeblich war der Guru den Frauen in der Gruppe zu nahegekommen.
Sie waren als Hilfskräfte engagiert. Und völlig ahnungslos, wen sie da vor sich hatten. "Die haben dauernd Musik gemacht", erzählt Gulab Nabi, "auf so langen Instrumenten mit Saiten, auf denen sie rumgezupft haben. Sie haben irgendwas auf Englisch gesungen. Keine Ahnung, was." "Meditiert haben sie auch", sagt Firojuddin, "aber wie genau, weiß ich nicht mehr. Nur, dass es stundenlang ging."
Beatles-Gedenk-Meditation
Zwei Touristinnen aus Hamburg besichtigen die Gemäuer. Für Kathrin und Anne ist das alles weit weg. "Ich kenn die Beatles tatsächlich aus meiner Kindheit", sagt Anne Hehl, "weil meine Eltern das gehört haben. Wir haben gerade darüber gesprochen, weil ja das White Album hier seine Ursprünge hat, ob wir das kennen und mögen. Wir haben mal reingehört, aber wirklich zu mir sprechen tut es nicht." Und was ist mit den Hippies, die im Gefolge der Beatles her pilgerten? "Ich fühle mich da nicht so verbunden", meint Kathrin Brasz, "ich komme her für Inspiration und einen anderen Blick auf die Welt, aber mein Ziel und mein Wunsch ist es nicht, so tief einzutauchen in eine andere Lebensform."
Das ist schon eher etwas für sie: auch auf den Spuren der Beatles, aber in strikt spiritueller Mission. Die Teilnehmer des "Internationalen Yoga-Festivals". Fast 2.000, die meisten aus Europa und den USA, veranstalten eine Beatles-Gedenk-Meditation. Die Festivalleiterin stammt aus Kalifornien, lebt seit zwanzig Jahren hier und beobachtet einen Generationenwandel. "Spiritualität und Yoga werden ja immer erfolgreicher", erklärt Sadhvi Bhagawati Saraswati. "Anders als die Hippies, die aussteigen wollten, die "nein" sagten zum Establishment, sind die Leute heutzutage positiver, sie wollen ihr Leben nicht radikal umkrempeln, sondern durch Yoga bereichern."
Spiritualitäts-Boom
Experten aus aller Welt geben Anleitungen zum Meditieren. Dieser Amerikaner verspricht: "Der Grund, warum wir zusammensitzen und Mantras sprechen, ist doch, dass wir damit Weltfrieden schaffen." Mit dabei: das deutsche Ehepaar Meyer. Sie sind vor Jahren nach Rishikesh gezogen, auch wegen den Beatles und deren Indien-Trip. "Da war ich achtzehn. In Detmold hab ich in der Zeitung gelesen, die Beatles – ich war ein Fan von den Beatles – die haben jetzt einen Yogi, diesen Guru, Maharishi. Konnte ich kaum aussprechen den Namen damals … fand ich ziemlich merkwürdig. Drei Jahre später hab ich selbst mit TM begonnen, weil ich irgendwo spirituell nach irgendwas gesucht habe."
Die Meyers unterrichten inzwischen selbst die Techniken des Gurus, sehen den Spiritualitäts-Boom in Rishikesh aber auch kritisch. Die Stadt ist stark gewachsen. Etwa hundert Yoga-Zentren gibt es heute, hunderttausend Einwohner – und einige Slums. "Alles was sie hier sehen, das war vorher Wald", sagt Vera Meyer, "einfach alles, was sie hier sehen, war Wald, und Rischikesch war ein verschlafener, ruhiger, klarer, spiritueller Ort… keine Touristen, einfach Still, jetzt sehen sie all diese Gebäude, und sie haben ja selbst erlebt, was hier im Stadtzentrum los ist"
Meditation als Massenevent. Für Leute, die nicht ein neues Leben, sondern den kurzen Zauber suchen. Für Katrin und Anne ist Rishikesh auf ihrer Indien-Rundreise nur eine Station. Aber das war es ja auch für die Beatles, die echten und die Kopien, nach ein paar Shows sind sie wieder weg. Ehepaar Meier aber will bleiben und hofft, dass es nach dem Jubiläum wieder etwas besinnlicher wird.
Stand: 01.08.2019 09:11 Uhr
Kommentare