Mo., 12.03.18 | 04:50 Uhr
Das Erste
Simbabwe: Die verbotenen Diamantenfelder
2008 übernahm das Militär die Kontrolle über die Diamantenfelder von Marange. Seit dem gab es immer wieder Berichte über Zwangsarbeit und Gewalt. Blutdiamanten aus Simbabwe, sie sicherten die Macht von Robert Mugabe. Jetzt nach dem Machtwechsel ist es einem ARD-Team erstmals gelungen in der verbotenen Diamanten-Region zu filmen.
Heiner Hoffmann hat Menschen getroffen, die über die Praktiken der Sicherheitskräfte in den Diamantenminen berichten. Sie bestätigen die Misshandlungen. "In den Diamantenfeldern von Marange entscheidet sich, ob sich in Simbabwe wirklich etwas geändert hat", sagt der Menschenrechtsaktivist Farai Maguwu. Eine Reportage von Heiner Hoffmann (ARD-Studio Johannesburg).
Ein Statussymbol, Sinnbild der glitzernden, mondänen Welt: Diamanten. Doch unsere Recherche zeigt die Realität hinter den funkelnden Steinen: Folter und Armut dort, wo sie aus dem Boden gegraben werden. "Die Sicherheitskräfte haben mich gefesselt und auf den Boden gesetzt. Dann haben mir ihre Hunde das Bein zerfleischt." Unsere Reise führt uns zu einem der größten Diamanten-Vorkommen der Welt – die Marange-Felder in Simbabwe. Seit vielen Jahren dienen die Felder als Machtbasis der Herrschenden, also bis vor kurzem für Diktator Robert Mugabe. Doch im November hatte sich das Militär gegen ihn erhoben, ihn zum Rücktritt gezwungen. Der neue Präsident: Emmerson Mnangagwa. Er verspricht Wandel für das Land. "In den Marange-Feldern wird sich entscheiden, wohin sich das Land tatsächlich entwickelt", meint Farai Maguwu, vom Center for Natural Resource Governance. "Wenn sich hier in Marange nichts tut, dann wird die alte Art der Politik einfach weitergehen, Geheimdeals eingefädelt und das Land an sich wird sich nicht verändern."
Armut trotz Diamanten
Über Jahre waren diese Felder hermetisch abgeriegelt, für Filmteams unter keinen Umständen zu betreten. Wir wollen nachschauen, was sich seit dem Machtwechsel geändert hat. Alle nötigen Schreiben haben wir im Vorfeld abgeschickt – und teils positive Rückmeldungen bekommen. Doch vor Ort verbringen wir den kompletten Tag mit einer Irr-Reise von einer Behörde zur nächsten. Am Ende gibt es wieder keine Genehmigung. War die Reise also umsonst? Einige Vertreter des örtlichen Volkes der Marange, nach denen die Diamanten-Felder benannt sind, führen uns in die Nähe der verbotenen Zone. Dort treffen wir den Chief, den Anführer der Marange. Sie begrüßen uns auf traditionelle Art. "Wir wissen, dass wir auf einem riesigen Diamantenvorkommen leben", erzählt Chief Bernard Marange. "Aber wir können nicht sagen, dass wir irgendetwas davon abbekommen haben. Nichts. Das Geld ist immer irgendwo anders hin verschwunden."
Der Sohn des Häuptlings und ein weiterer Anführer zeigen uns die Lebensverhältnisse in unmittelbarer Nachbarschaft der Diamanten. Es könnte kaum einen größeren Kontrast zur Luxuswelt der funkelnden Steine geben. Die Diamantenfirmen und Regierung sind eigentlich verpflichtet, einen Anteil an die umliegenden Kommunen abzuführen. Doch das Geld sei irgendwo weiter oben versickert, versichern uns die Einheimischen. Offenbar bis hoch zu Robert Mugabe. "Wir leben hier in bitterer Armut, unsere Häuser verfallen, wir haben kaum Essen – und das, obwohl wir von Diamanten umgeben sind. Davon haben wir bisher nicht profitiert. Ich würde ehrlich gesagt inzwischen lieber von den Diamantenfeldern wegziehen, wenn ich könnte."
Folter an Diamantensuchern
Die Anführer der Marange hoffen nun auf die neue Regierung. Sie haben eine eigene Abbau-Lizenz beantragt, um selbst vom Diamantengeschäft zu profitieren. Der Gewinn soll dem eigenen Volk zugutekommen, sagen sie. Nur wenige Kilometer von hier entfernt beginnt die verbotene Sperrzone – wir wollen wissen, wie es dort drinnen zugeht. Wir bekommen einen Tipp: Eine versteckte Straße führt uns in das Sperrgebiet, hier soll es kaum Kontrollen geben. So schaffen wir es tatsächlich tief in die so genannte Rote Zone hinein. Doch ab diesem Grundstück wird es zu riskant, denn direkt dahinter patrouillieren Sicherheitskräfte. Zwei Dorfbewohner erklären sich bereit, weiter vorzudringen und Videos zu drehen. Es sind exklusive Aufnahmen. Sie zeigen die Umweltschäden, die ausgedienten Minen wurden einfach sich selbst überlassen. Und sie zeigen die verarmten Einwohner, die in der Hoffnung auf ein bisschen Einkommen selbst nach Diamanten suchen.
Was mit ihnen passiert, sehen wir, als die Dorfbewohner vom Filmen zurückkommen. Sie haben mehrere der Diamantensucher mitgebracht. "Wir wurden letzte Nacht von den Sicherheitskräften erwischt. Wir mussten uns gefesselt hinsetzen, dann haben sie die Hunde auf uns gehetzt. Nachdem sie sich festgebissen haben, mussten wir sie selber von unseren Beinen abziehen." – "Mir haben die Hunde in die Hoden gebissen. - Sie haben Sie abgebissen? - Ja, die Hoden." – "Sie haben aus nächster Nähe auf mich geschossen in den Diamantenfeldern. Dann haben sie mich einfach liegen lassen." – "Ich bin Viehhirte und meine Kühe sind auf die Diamantenfelder gelaufen, es gab keinen Zaun. Ich bin hinterher und dort haben mich die Sicherheitsleute der staatlichen Diamantenfirma gefangen genommen. Sie wollten meinen Ausweis sehen, ich hatte keinen dabei. Dann haben sie mich gefesselt und die Hunde auf mich gehetzt. Danach haben sie mich umgedreht und mit Stöcken auf meine Füße eingeschlagen."
Änderungen durch die neue Regierung?
Farai Maguwu hat mit seiner Menschenrechtsorganisation solche Fälle von Folter seit Jahren dokumentiert. Er wurde selbst verhaftet, als er auf den Diamantenfeldern mit Opfern sprach. "Wir haben zahlreiche Beweise dafür, dass die Opfer von Hunden auf schreckliche Weise zerfleischt werden. Die Hunde sind inzwischen an menschliches Blut gewöhnt. Die Geschichten, die wir hören, sind grauenvoll und einige der Opfer sind den Verletzungen erlegen. Einige werden vom Sicherheitspersonal der staatlichen Diamantenfirma zu Tode gefoltert. Das passiert auch heute noch in gleicher Weise."
Folter an Dorfbewohnern und Glücksrittern auf der Suche nach Diamanten für den Schwarzmarkt. Was sagt die zuständige Ministerin für die Region zu diesen Missständen? Sie war maßgeblich am Sturz des alten Präsidenten Robert Mugabe beteiligt – und will jetzt unbedingt internationale Investoren anlocken. Auch in der Diamantenindustrie. "Können Sie garantieren, dass die berichteten Fälle aufhören werden?" "Definitiv", sagt Monica Mutsvangwa, Ministerin für die Provinz Manicaland. "Wir arbeiten eng mit allen zusammen, den Sicherheitskräften, der Polizei, allen, damit das aufhört." Die Reise in die verbotenen Diamantenfelder Simbabwes zeigt: Hier wird sich entscheiden, ob es die neue Regierung ernst meint mit ihren zahlreichen Versprechungen.
Stand: 01.08.2019 09:11 Uhr
Kommentare