So., 20.03.22 | 18:30 Uhr
Das Erste
Elfenbeinküste: ein bisschen Fairness bei der Schokolade
Ab 2023 müssen Schokoladen-Hersteller in Deutschland nachweisen, dass ihrer Rohstoffe unter anderem ohne Kinderarbeit gewonnen werden. Deshalb besuchen Vermessungsteams jetzt die Kakao-Bauern in der Elfenbeinküste. So kann jede einzelne Kakao-Bohne in Zukunft einem der zwei Millionen Kleinbauern zugeordnet werden. Das ist die Voraussetzung, dass Hersteller das Lieferkettengesetz im fernen Deutschland einhalten können. Was bringt das den Bauern in Westafrika, wo rund 60 Prozent des Kakaos weltweit herkommen?
Mehr Transparenz durch genaue Daten
Mathieu Tadjo und sein Team sind extra auf der Stadt gekommen. Sie sind Vermesser. Ihre Aufgabe: Die unzähligen kleinen Kakao-Plantagen kartographieren. "Dort ist die eine Plantage, da die andere. Wenn der Bauer nicht hier wäre, könnten wir sie nicht auseinanderhalten. Deshalb gehen wir jetzt sein Gebiet mit ihm ab." Dabei werden immer wieder Messdaten per GPS erhoben. Aus den Koordinaten wird später am Computer ein Modell gefertigt. "Wir folgen dem Bauern, er geht auf der Grenze seines Feldes entlang. Wir erheben die Konturen der Plantage und auch ein Profil der Oberfläche."
Das Vermessungsteam arbeitet an dem, was bald schon wichtig wird, damit die Bauern ihren Kakao an die großen Schokoladen-Hersteller verkaufen dürfen. Transparenz, um bald alle geernteten Kakaobohnen genau zuordnen zu können. Nebeneffekt: Bauer Adama Ouadraogo erfährt, zum ersten Mal in seinem Leben, wie groß seine Plantage ist. Die Firma misst zwei Hektar. "Vorher wussten wir das nicht, ob es zwei oder drei Hektar sind, oder vielleicht nur ein Halber. Jetzt kann ich den Anbau besser steuern." So kann er gezielt Dünger und Pestizide einkaufen. Aber die Daten dokumentieren eben auch, dass sie hier Kakao nicht in geschütztem Wald anbauen. Und Unternehmen, die die Bohnen kaufen, können überprüfen lassen, unter welchen Bedingungen geerntet wird.
Der Nutzen des Lieferkettengesetzes ist umstritten
Das schreibt das deutsche Lieferkettengesetz ab 2023 vor. Dann müssen die großen Schokoladenhersteller in Deutschland Verantwortung für den Anbau in der Elfenbeinküste übernehmen. Für alle ihre Zulieferer aber nur unter bestimmten Bedingungen, kritisiert Friedel Hütz-Adams. Er analysiert den Kakao-Markt seit zwölf Jahren. "Das Gesetz ist ein erster wichtiger Schritt", sagt Friedel Hütz-Adams vom Institut Südwind e.V. "Es ist auch meiner Ansicht nach ein großer Fehler der Bundesregierung gewesen, zu sagen, man muss nur in Lieferketten aktiv werden, wo man wirklich substanzielle Hinweise auf Menschenrechtsverletzungen hat. Nun ist es im Kakaosektor aber so, dass jeder seit 20 Jahren weiß, dass in der gesamten Kette diese Menschenrechtsverletzungen stattfinden. Wie beispielsweise Kinderarbeit, Unterernährung oder Ausbeutung von Beschäftigten."
Die Weltmarktpreise für Kakao sind niedrig. Das merkt auch Bo Laurentine. Anbau und Ernte sind harte körperliche Arbeit. Die Früchte in der kleinen Plantage werden nicht gleichzeitig reif, jeden Tag muss Bo Laurentine die Bäume abgehen, um den reifen Kakao zu ernten. "Ich leide. Wenn nur jemand Mitleid mit uns hätte, wenn uns nur jemand helfen würde, und uns beispielsweise Getreide geben würde, damit wir das auch pflanzen könnten, um etwas zu Essen zu haben. Wenn Du nichts verdienst, kannst Du nichts nach Hause mitbringen. Und dann musst Du auch noch Deine Schulden bezahlen." Denn Setzlinge und alles andere für den Anbau – das alles muss sie vorstrecken. Zwei Millionen solcher Kleinbauern und ihre Familien, produzieren den überwiegenden Teil des Kakaos in Westafrika. Groß-Plantagen gibt es nur wenige. Erst wird die Frucht abgeschlagen, die Samen ausgelöst. Alles Handarbeit. Nach der Fermentierung trocknen die jetzt dunkleren Kakaobohnen an der Sonne. Dann erst ist der Kakao verkaufsbereit.
Bei niedrigen Kakao-Preisen müssen die Kinder mithelfen
Am Ende landet viel davon in Deutschland, rund 450.000 Tonnen Kakao importieren wir im Jahr. "Früher war Schokolade ein Luxusprodukt", sagt Friedel Hütz-Adams. "Heute ist es eine Ramschware, wo man dann auch Markenschokolade für unter 70 Cent im Sonderangebot vor Weihnachten auf den Markt wirft." Weil die Preise für Schokolade niedrig sind, darf auch der Rohstoff Kakao nur wenig kosten. Deshalb müssen die Kinder helfen. Teufelskreis Kinderarbeit. Dafür gibt es eine eigene Sondereinheit der Polizei, sie führt Razzien durch, sucht in den Kakaoplantagen nach Kindern, die arbeiten, statt zur Schule zu gehen. Sie finden ein kleines Mädchen. "Wir werden Tochter und Mutter mitnehmen", erklärt die Polizeichefin Rosa Kanda. "Sie kann uns nun zeigen, dass das Kind in Klasse zwei gehört und zumindest im letzten Jahr zur Schule ging." Der Mutter ist das sichtlich unangenehm, sie versucht zu erklären: "Wir hatten dieses Jahr einfach kein Geld für die Schulgebühren."
Ihre siebenjährige Tochter wird erstmal mitgenommen. Ein Schock für alle. Doch was sollen die Familien machen, sie haben keine Wahl. Die große Armut ist der Treiber der Probleme beim Kakaoanbau. Hier leistet das deutsche Lieferkettengesetz keine Hilfe. Eine Berechnung ergab, dass Bauern etwa das Doppelte verdienen müssten, um vom Kakao wirklich leben zu können. "Was sollen die Enkelkinder und ich essen", fragt sich die Bäuerin Bo Laurentine. "Ich will das die Preise für Kakao steigen." Doch dann müsste auch Schokolade teurer werden. In Deutschland zum Beispiel!
Autorin: Caroline Hoffmann, ARD-Studio Nairobi
Stand: 21.03.2022 09:39 Uhr
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