So., 20.03.22 | 18:30 Uhr
Das Erste
Spanien: Nationalpark trocknet aus
Der andalusische Coto de Doñana ist einer der wichtigsten Naturräume Europas. Weltkulturerbe und Drehkreuz für Millionen Zugvögel. Gleich nebenan sind riesige Obstplantagen, hier wächst das Obst und Gemüse für Mitteleuropa. Und die Plantagen sind durstig. Sie graben dem Paradies buchstäblich das Wasser ab. Viele Brunnen sind illegal und müssten – so hat es der europäische Gerichthof entschieden – versiegelt werden. Doch die Regionalregierung von Andalusien ignoriert das Urteil, will jetzt sogar per Gesetz die illegalen Plantagen legalisieren.
Im Nationalpark wird das Wasser knapp
Hier ist er noch ein Traum – der Nationalpark Doñana im Süden Andalusiens. Marschland, vor allem im Frühjahr überflutet mit Wasser. Flamingos leben hier, Zugvögel machen Rast. Aber Felipe Fuentelsaz vom WWF sagt, lasst Euch bloß nicht täuschen. "Wasser ist Motor des Lebens hier, für die Biodiversität, die Vögel, die Aufzucht der Brut. Ohne Wasser gibt’s kein Leben. Aber das Wasser ist knapp geworden, wir haben in den letzten 30 Jahren bereits 60% der Wassermenge hier verloren."
Einer der Gründe: An den Rändern des Nationalparks wächst seit Jahren eine riesige Plastikkrake. In den Gewächshäusern: Erdbeeren, Heidelbeeren, Himbeeren. Die Plantage von Romualdo Macias ist eine von vielen. Wenn wir Verbraucher in Deutschland im Winter frische Beeren kaufen, kommen sie meist von hier. Fast das ganze Jahr über wird geerntet, dank des milden Klimas und künstlicher Bewässerung. Dieser Betrieb arbeitet vorschriftsmäßig, aber andere haben gar keine Konzession für die Bewässerung. Doch Macias, Vorsitzender des Bauernverbands, will, dass sie alle von einem neuen Gesetz geschützt werden. "Wir wollen die Anbauflächen nicht ausweiten, wir gehen nicht in die Wälder hinein. Wir wollen nur da anbauen, wo schon immer Landwirtschaft war. Ich bin mit meinem Betrieb auch nicht im Nationalpark, der ist 40 Kilometer entfernt. Außerdem möchte ich sagen, dass wir Bauern immer schon die größten Umweltschützer waren."
Export nach Deutschland aus illegaler Bewirtschaftung
Die künstliche Bewässerung gab es hier aber natürlich nicht schon immer, so sparsam sie jetzt auch dosiert wird. Am Computer steuert Macias die Wasserzufuhr und die Nährlösung mit Nitrat, Kalium, Phosphor und so weiter. Immer mehr Gewächshäuser sind entstanden, viele von ihnen ganz legal. Sie nutzen Wasser, das ihnen von den Behörden zugeteilt wurde. Andere aber bewässern illegal, erklärt Umweltschützer Fuentelsaz. "Hier unten könnt Ihr das sehen, da war eigentlich mal ein Flüsschen." An mehreren Stellen haben die Bauern das Flusswasser aufgestaut und dann von dort per Rohrleitung in ihre Gewächshäuser gepumpt. Dieser künstliche See hier wurde entdeckt und die Pumpaktion polizeilich stillgelegt. "Wir hatten hier mehr als 200 solcher illegaler Wasserbecken und mehr als 1.000 illegale Brunnen. Das ist doch verrückt! Momentan sind mehr als 1.500 Hektar hier illegal bewirtschaftet." Und wer kauft die Produkte? "Deutschland ist der größte Abnehmer. Und nach unserem Kenntnisstand gibt es nur eine Supermarktkette, die genau wissen will, ob die Hersteller legal bewässern oder illegal. Die anderen kümmert das nicht."
Neben den Wasserbecken gibt es auch noch das hier: illegale Brunnen, die direkt das Grundwasser anzapfen. Umweltschützer haben sie entdeckt, aber die Behörden kommen mit dem Stilllegen kaum hinterher. Der Gipfel der Geschichte: das andalusische Regionalparlament in Sevilla will jetzt die Bauern, die illegal Wasser entnehmen per Gesetz schützen. "Diese Herren verlangen nichts, was ihnen nicht zusteht", so Manuel Andres Gonzales vom Partido Popular. "Sie wollen nur ihre Familien ernähren und Arbeitsplätze und Reichtum schaffen." Eine Mehrheit aus Konservativen und der rechtsextremen Vox-Partei bringt den Gesetzentwurf auf den Weg, zur Freude der Bauernvertreter. Grau sind die legalen Betriebe, aber die rot und lila eingezeichneten Höfe bewässern illegal. Genau die sollen jetzt aber legalisiert werden. "Und das, obwohl die Europäische Union schon ein Strafverfahren gegen Spanien angekündigt hat wegen der Wassersituation", erklärt Felipe Fuentelsaz. "Die EU sagt, wir sind zutiefst besorgt über die Vorgänge bei Euch, was macht Ihr da?"
Streit unter Bauern
Was sagt eigentlich Spaniens Zentralregierung zu den Plänen der Andalusier? In der staatlichen Wasserbehörde ist die Sache klar: die Grundwasserspeicher sind bereits erschöpft. Joaquin Paez Landa von der staatlichen Wasserbehörde meint dazu: "Wenn mir nun jemand sagt: in diesem Gebiet darf man Bewässerungsanbau betreiben, dann sage ich: aber es gibt kein Wasser. Dann sagen sie: aber wenn es Wasser gäbe, dürften diese Betriebe bewässern. Dann sage ich: nein, es gibt nicht genügend Wasser." Aus illegal mache legal, das wird auf nationaler Ebene nicht standhalten. Einige Bauern im Dorf Almonte sind deshalb gegen das Gesetz und aus dem Bauernverband ausgetreten. Doch der erklärt den Abtrünnigen jetzt den Krieg und droht per Whatsapp sogar mit körperlicher Gewalt. "Die ausgetretenen Bauern werden jetzt vom Bauernverband in den sozialen Netzwerken und Whatsapp-Gruppen diffamiert und bedroht", erzählt Manuel Delgado, Sprecher der ausgetretenen Bauern. "Das ist doch so unsinnig. Wir haben andere Probleme, als uns jetzt gegenseitig zu bekämpfen." Wohl wahr. Denn fährt man in die Mitte des Nationalparks Doñana sieht es so aus: Trockenfläche, wo um diese Jahreszeit Wasser plätschern sollte. Keinen Vogel sieht Felipe Fuentelsaz fliegen, keine Insekten schwirren. "Das ist natürlich auch eine Folge des Klimawandels. Aber wenn wir das wenige Wasser, das uns noch zur Verfügung steht, für noch mehr Landwirtschaft nutzen, dann haben wir versagt." Ökologisch seien weite Teile der Doñana schon tot, den Rest gelte es jetzt aber, zu retten.
Autorin: Ute Brucker, SWR Stuttgart
Stand: 21.03.2022 11:08 Uhr
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