So., 06.04.25 | 18:30 Uhr
Das Erste
Frankreich: Wie das Le Pen-Urteil ein Land spaltet
Troyes, ein lebendiges 60.000 Einwohner-Städtchen in der Champagne, gut zwei Stunden südöstlich von Paris. Der abendliche Apéritif: auch Sylvie und Damien kommen gerne in dieses Café. Das Paar hat in den letzten Tagen viel über die Verurteilung von Marine Le Pen diskutiert. Damien: "Man hat sie wirklich gezielt aus dem Weg geräumt, um die Karten für die nächste Präsidentschaftswahl neu zu mischen."
Hier in Troyes ist der Rassemblement National in den letzten Jahren deutlich stärker geworden. Auch Sylvie und Damien erzählen mir, dass sie die extrem rechte Partei wählen. Dass Le Pen bestraft wird, verstehen die beiden, aber wie finden sie unverhältnismäßig.
Präsidentin 2027?
2027 wollte Marine Le Pen nach drei vergeblichen Kandidaturen doch noch Präsidentin werden. Aber das Gericht in Paris hat geurteilt, dass sie sich fünf Jahre lang nicht für ein öffentliches Amt zur Wahl stellen darf – und das ab sofort.
In den landesweiten Umfragen findet eine deutliche Mehrheit das Urteil richtig. So wie in Troyes war der Rassemblement National in Frankreich in den letzten Jahren vor allem so erfolgreich, weil er mehr in die Mitte der Gesellschaft gerückt ist. Marine Le Pen hat ihre Partei vom früheren radikalen Image befreit, sie seriöser und massentauglicher gemacht. Laut Politikwissenschaftler Luc Rouban wird genau das jetzt zum Problem: "Sie haben zuletzt vertreten, dass sie die staatlichen Institutionen respektieren und das System nicht mehr stürzen wollen. Das heißt dann aber auch, das Gericht zu respektieren. Und da kommt Marine Le Pen jetzt in eine schwierige Position."
Ihre Stammwähler fühlten sich zwar bestätigt. Aber die, die durch den gemäßigten Kurs von anderen Parteien hinzugekommen sind, könnten abgeschreckt werden. Trotz der Beweise gibt Marine Le Pen sich kämpferisch. Sie hofft darauf, dass im Berufungsverfahren die Nichtwählbarkeit aufgehoben wird – und es so schnell über die Bühne geht, dass sie bei der nächsten Präsidentschaftswahl doch wieder kandidieren kann. Sonst wäre der naheliegendste Kandidat Jordan Bardella, 29, Europaabgeordneter, ihr politischer Ziehsohn. Le Pen hatte ihn vor gut zwei Jahren zum Parteichef gemacht, ein Coup – gerade bei jungen Menschen. Während des Europawahlkampfes wurde er gefeiert wie ein Popstar. In Umfragen spricht sich sogar eine Mehrheit der eigenen Wähler dafür aus, dass er der nächste Präsidentschaftskandidat wird.
In einer kleinen Seitenstraße: Antiquitätenhändler Michel lädt mich vor sein Geschäft ein. Er macht sich viele Gedanken darüber, was das für Frankreich bedeutet. Verschiedene Studien zeigen, dass das Vertrauen in die Politik in Frankreich viel in geringer ist als in Deutschland: "Ich glaube nicht, dass das positive Auswirkungen auf die Demokratie hat, sondern dass das Vertrauen in sie noch weiter abnimmt. Es gibt schon jetzt eine große Wut. Vielen reicht es einfach. Die Leute haben genug davon, von Meschen regiert zu werden, die nicht aufrichtig sind. Politiker müssen mit gutem Beispiel vorangehen.“
Friederike Hofmann, ARD Paris
Stand: 07.04.2025 00:23 Uhr
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