So., 06.04.25 | 18:30 Uhr
Das Erste
Spanien: Vorreiter im Kampf gegen Gewalt gegen Frauen
Videos, die sprachlos machen, veröffentlicht von der spanischen Polizei nach ihren Einsätzen. Jeder kann sie online anschauen, denn Gewalt gegen Frauen soll in Spanien kein Tabuthema sein.
Madrid, im kleinen Theater del Barrio: eine, die so etwas erlebt hat, ist Pamela Palenciano. Allein spielt sie ihr Leben im Andalusien der 1980er Jahre. Als Teenager verliebt sie sich in Antonio, der immer mehr Kontrolle über ihr Leben bekommt und irgendwann brutal zu ihr wird. 90 Minuten Monolog, mit Jacke wird Pamela zu Antonio, der irgendwann versucht, sie umzubringen.
Viele Wege gegen Gewalt
Auch sie wollen etwas gegen Gewalt gegen Frauen tun: Die Hauptnachrichtensendung im staatlichen spanischen Fernsehen eröffnet die Sendung mit einem Femizid. Beatriz Martín leitet das Gesellschafts-Ressort. Für sie und ihr Team ist klar, dass über solche Fälle offensiv berichtet werden muss, auch zur Abschreckung und um auf Hilfen für die Opfer hinzuweisen.
Das war nicht immer so: Beatriz zeigt mir im Schneideraum, was zu Spaniens strenger Gesetzgebung geführt hat: 1997, ein Interview im Sender “Canal Sur”. Ana Orantes erzählt, dass ihr geschiedener Mann sie jahrelang geschlagen hat. Zwei Wochen später ist sie tot, bei lebendigem Leib verbrannt von ihrem Ex-Mann. Beatriz´ Redaktion stand unter Schock: “Niemand war in der Lage, sie zu retten. Damals haben wir - und die ganze Gesellschaft - begonnen, zu verstehen, dass es viele Ana Orantes gab und dass etwas getan werden musste, um diese Macho-Gewalt zu stoppen.“
Spaniens Frauen begehrten auf und erreichten viel: härtere Strafen, spezielle Strafkammern, Hilfen für Opfer. Später sinkt die Zahl der Femizide: um knapp ein Drittel. Dabei hilft auch die Polizei: Im Revier von Boadilla, einer Vorstadt von Madrid. Esthérr Muela ist hier die Spezialistin für das System “VioGen” für Gewalt gegen Frauen, eine Datenbank, die alle Polizeieinheiten Spaniens vernetzt. Esthérr befragt zuerst die Opfer. Aus ihren Daten errechnet ein Algorithmus das Risiko. Die Polizei entscheidet dann, wie sie das Opfer schützt.
Obligatorische Schweigeminute
Im spanischen Parlament: Immer, wenn trotz der strengen Gesetze eine Frau ermordet wird, gedenken die Abgeordneten still der Opfer, 48-mal im vergangenen Jahr.
Wir treffen Pamela in Madrid wieder, kurz vor ihrem nächsten Auftritt. Spanien hat viel für Gewaltopfer getan, seit sie eines war. Noch immer stört sie, dass manchen Opfern nicht geglaubt wird: "Ich hatte rote Rastalocken und Piercings. Ich entspreche nicht dem Opfer-Stereotyp. Egal wie viele Gesetze es gibt, dafür fehlt das Bewusstsein."
Und so spielt Pamela weiter für mehr Aufmerksamkeit und weniger Opfer.
Kristina Böker, ARD Madrid
Stand: 07.04.2025 00:26 Uhr
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