So., 06.04.25 | 18:30 Uhr
Das Erste
Ungarn: Orban schikaniert seinen Herausforderer
Dieser Mann könnte Viktor Orban so gefährlich werden, wie niemand anderer seit 15 Jahren. Peter Magyar will das System Orban stürzen. Doch damit das klappen kann, hat er noch viel zu tun. Heute: die Wähler auf dem Land überzeugen.
Erste Station: Die Kleinstadt Jaszbereny, 70 Kilometer östlich von Budapest, eine ehemalige Fidesz-Hochburg, jahrelang haben sie hier Orban unterstützt. Doch die Stimmung hat sich gedreht. Magyar wird wie ein Popstar empfangen, schafft acht Selfies pro Minute. In fast allen Umfragen liegt seine Partei inzwischen vor Orbans Fidesz.
Der "schöne Peter" war anfangs vor allem Ehemann von Orbans Justizministerin. Als Orban sie aufgrund einer umstrittenen Begnadigung in einem Pädophilieskandal feuert, packt Magyar aus. Vor Millionen Menschen spricht er als Regierungsinsider auf einer YouTube-Plattform über das korrupte Orban-System, ruft zu Demos auf und trifft damit einen Nerv. Über Nacht wird er berühmt.
Gespaltenes Land
Wie gespalten das Land ist, merken wir, als sich ein Journalist der regierungstreuen Staatsmedien unters Volk mischt. Es kommt zum Gerangel, denn die Bürger sind wütend auf Orbans gleichgeschaltete Presse.
Tisza, Magyars Partei, will das autokratische System das Orban jahrelang aufgebaut hat, zerschlagen. Der erste Schritt: ein Politikwechsel. Die Bürger können heute verschiedene Themen ankreuzen: die Einkommenssteuer soll runter auf neun Prozent, Abgeordnete sollen weniger verdienen, Medikamente dafür billiger werden und Rentner mehr Unterstützung erhalten.
Kurze Pause, Mittagessen, Social media. Ungarn sei unter Orban zum ärmsten und korruptesten Land der EU geworden sagt Magyar, das will er ändern: "Null Toleranz gegenüber Korruption. Wir müssen die notwendigen Anti-Korruptionsmaßnahmen sofort umsetzen, sobald das Orban-Regime besiegt ist. Dann werden wir Teil der Europäischen Staatsanwaltschaft und wir bringen das eingefrorene Geld heim - 20 Milliarden Euro!"
Die Opposition in Ungarn wächst stetig, doch für viele hat ihr Engagement Konsequenzen. Zoltan Tarr hat seinen Einsatz mit einer Kündigung bezahlt. Nachdem er vor einem Jahr seine erste Rede für Tisza gehalten hat, wirft ihn sein Arbeitgeber, eine staatliche Digitalfirma, in der er als Berater tätig ist, raus. Kurze Zeit später verliert auch seine Frau ihren Job. Zoltan Tarr ist inzwischen Vollzeitpolitiker. Er sitzt für Tisza im Europäischen Parlament, pendelt zwischen Brüssel und Budapest. Seine Heimat sieht er in düsterem Licht: "Es herrscht ein Gefühl der Angst, der Unterdrückung. Es ist nicht so, dass jemand in ein schwarzes Auto gezogen und zusammengeschlagen wird. Es ist etwas Emotionales. Es kriecht in jeden von uns hinein, geht unter die Haut… Das ist nichts, was ich Demokratie nennen würde. Das ist wirklich keine Demokratie mehr."
1000 Gemeinden auf dem Land will Tisza in den nächsten Wochen abklappern, bis zur Parlamentswahl müssen sie noch ein ganzes Jahr durchhalten. In Ungarn gibt es plötzlich wieder politischen Wettbewerb – eine Aufbruchstimmung.
Anna Tillack, ARD Wien
Stand: 07.04.2025 00:29 Uhr
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