So., 06.04.25 | 18:30 Uhr
Das Erste
El Salvador: Drei Jahre Ausnahmezustand – und kein Ende
Sie haben ihre Bandenzugehörigkeit auf die Haut tätowiert. Die 18, für "barrio 18" oder "MS" für "Mara Salvatrucha". Belarmino Garcia genießt es, Journalisten El Salvadors Schwerverbrecher vorzuführen. Wir sind im Mega-Knast von El Salvador, dem so genannten CECOT. Kapazität: 40.000 Männer. Hier sitzen Mitglieder der berüchtigten Banden, darunter auch Serienmörder. Jeder Kontakt nach draußen – tabu.
30 Minuten Sport am Tag, den Rest der Zeit sitzen die Männer herum. Es gibt zwei Wasserbecken und zwei Toiletten pro Zelle, für je 80 Personen. Garcia, der Gefängnis-Chef, will eine Botschaft vermitteln: Wir sorgen für Sicherheit: "Es geht doch nicht darum, wie viele Bandenmitglieder hier sitzen, sondern wie viele Millionen Salvadorianer jetzt endlich wahren Frieden leben können."
Wahren Frieden, den gab es tatsächlich jahrelang nicht, weil gewalttätige Jugendbanden El Salvador beherrschten. Seit drei Jahren regiert Präsident Nayib Bukele per Ausnahmezustand. Wer verdächtig ist, verschwindet im Knast. Stand heute: 85.000 Menschen, brutale Schwerverbrecher, aber nicht nur. Manchmal reicht ein Tattoo oder der Wohnort im Armenviertel, um festgenommen zu werden.
Sicherheit ohne Rechte
Victor Barahonas Rosentattoo ist eindeutig kein Gang-Abzeichen. Trotzdem wurde ihm unterstellt, Gang-Mitglied zu sein. Fast ein Jahr saß er in unterschiedlichen Gefängnissen, verlor dabei 40 Kilo und seinen Job bei einer Fernsehstation, obwohl er unschuldig sei. Früher kontrollierten Gangs sein Viertel. Deshalb, sagt Victor, galt hier wohl jeder als verdächtig, auch er.
Wie viele unschuldig eingesperrt sind, wissen auch Menschenrechtler nicht. 8000 musste die Regierung bereits entlassen. Ein Rechtsstaat sei El Salvador längst nicht mehr.
Untersuchungshaft kann derzeit Jahre dauern, ohne Urteil. Victor arbeitet inzwischen bei einem Internetradio. Der Ausnahmezustand gegen die Gangs wende sich längst auch gegen Andersdenkende, Regierungskritiker: "Aber wir werden nicht schweigen. Und sollte ich zum Schweigen gebracht werden, kommt der nächste und wird weiter anklagen."
Recht und Unrecht – sie scheinen dicht beieinander zu liegen, derzeit in El Salvador. Bukele hat dem Land Frieden gebracht, aber zu einem hohen Preis.
Marie-Kristin Boese, ARD Mexiko-Stadt
Stand: 07.04.2025 00:34 Uhr
Kommentare