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Ungarn: Rechtes Paradies für Deutsche?

Ungarn: Rechtes Paradies für Deutsche?  | Bild: WDR

Der Plattensee – Urlaubsziel für die einen und neue Heimat für andere, die Deutschland den Rücken gekehrt haben. Inzwischen gibt es am Plattensee eine wachsende deutsche Gemeinde – und die Nachfrage steigt, erzählt uns eine Maklerin: "Hallo Frau Tillack, herzlich Willkommen am ungarischen Meer!", sagt Barbara Herold. Hier verkauft sie Immobilien. Früher kamen die Menschen vor allem, weil es billig war, doch das habe sich geändert: "Was erzählen die Leute Ihnen?" "Na ja, sie fühlen sich in Deutschland nicht mehr daheim. Das ist alles nicht mehr so, wie man es haben möchte, als Deutsche oder als Deutscher", sagt sie.

Neue Heimat Ungarn

Deutschland ade: Einige Deutsche fühlen sich in Ungarn jetzt wohl.
Deutschland ade: Einige Deutsche fühlen sich in Ungarn jetzt wohl. | Bild: WDR

Wir fahren ins Hinterland, 50 Kilometer südlich vom Plattensee, ziemlich einsam hier. Maklerin Herold will mir eine Familie vorstellen, die den Umzug bereits hinter sich hat. Sie vertrauen ihr, deshalb darf ich sie besuchen. Stephan kommt aus Bayern, seine Frau Melli aus Berlin. Vor zwei Jahren haben sie beschlossen, Deutschland für immer hinter sich zu lassen. "Und das ist jetzt alles euer Grundstück bis zu dem Zaun?" "Nein, viel größer. Das Grundstück da drüben, bis zu den Pferden, komplett. Dort unten das gehört uns. Die Pferde und die nächste Weide, die runtergeht. Sind knapp 20.000 Quadratmeter", erklärt Stephan.

Innerhalb von drei Monaten verkauft Stephan sein Haus in Bayern, trifft Maklerin Barbara Herold, kauft ein Haus in Ungarn und zieht mit der ganzen Familie um. Auf Stephans Hof fühle ich mich ein bisschen wie auf einer Ranch in Amerika. Für ihn ist Sicherheit wichtig, ein Nachbar passe auf den anderen auf, erklärt er mir: "Ich trau mich wetten, dass euer Auto, wie es hier reingefahren ist, mindestens zwei Mal fotografiert worden ist und mindestens von vier Kameras aufgenommen ist. Weil es immer so ist." "Aus Sicherheitsgründen?" "Ja", sagt Stephan. "Gibt es da einen Unterschied zu Deutschland? Würdest du sagen, ihr fühlt euch hier sicherer?" "Hier fühl ich mich sicherer, ja. In Deutschland habe ich es mir nicht getraut meine Frau und Kind allein rauszulassen, in Rosenheim zum Beispiel, da bin ich mitgefahren. Hier ist mir das egal", erzählt er. "Wovor hattest du da Angst, Stefan?" "Da sind wir jetzt bei der Migration. Ja, man hört genug, man sieht genug."

Für Stephan ist Migration ein Problem. Auch deshalb fühlt er sich in Ungarn wohl. "Was Viktor Orban macht, außenpolitisch, find ich gut, weil er sein Land hält. Erstmal ist der Ungar dran hier und das ist auch richtig so", findet er. Hier, in Orbans Ungarn, will der deutsche Stefan jetzt Fuß fassen, als Handwerker arbeiten, Kunden finden und Geld verdienen. Sein neuer Held ist Viktor Orban, ein Mann der Law and Order Politik, seit 14 Jahren durchgehend an der Regierung, mit einer sehr gut funktionierenden Propaganda: "Alles, was wir sagen können: Die Welt hat nicht genug Geld, um Migranten reinzulassen, um ihnen zu erlauben, unser Land wegzunehmen. Wir werden keine Bedingungen zulassen, wie wir sie in westlichen Staaten sehen: Terrorismus, Verbrechen, Parallelgesellschaften."

Sie eint die Unzufriedenheit mit deutscher Politik

Beliebt bei einigen deutschen Auswanderern: Ungarns Regierungschef Orban.
Beliebt bei einigen deutschen Auswanderern: Ungarns Regierungschef Orban. | Bild: WDR

In Orbans Ungarn gibt es kaum Migration. Es ist christlich, hetero und vor allem weiß. Ich begleite Familie Rebs über den Wochenmarkt, multikulti gibt es hier nicht, stattdessen höre ich immer wieder deutsch um uns herum. Ich komme mit weiteren Auswanderern ins Gespräch. "Die ganzen politischen Verhältnisse, das ist nicht mehr das, was für mich gut ist und deswegen hab ich beschlossen, auch wegzugehen aus Deutschland", sagt eine Frau. "Ist das eine Einbahnstraße? Oder können Sie sich vorstellen, auch wieder irgendwann zurückzukommen?" "Ne, ich gehe nicht mehr zurück. Ich war auch nicht wieder in Deutschland. Deutschland macht krank."

Die meisten Auswanderer verstehen sich auf Anhieb, das merke ich auch bei Stephan. "Mir passt die grüne Politik nicht. Mir passt die rote Politik nicht, mir passt das nicht, dass das ganze Geld ins Ausland geht, dass zum Beispiel über Radwege in Peru diskutiert wird", erzählt ein älterer Herr. "Aber gibt es auch etwas, was Sie gut finden an der deutschen Politik?" "Meine Rente", sagt er. "Die kriegen Sie ja dann schon aus Deutschland." "Die kriege ich hierher, ja. Ich möchte mich nicht darüber beklagen." Im Laufe der Dreharbeiten wird mir klar: Sie alle haben mit Deutschland abgeschlossen. Die deutsche Staatsbürgerschaft wollen sie aber behalten.

Autorin: Anna Tillack / ARD Wien

Stand: 15.09.2024 20:47 Uhr

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