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Frankreich: Stichwahl = Schicksalswahl

Frankreich: Stichwahl = Schicksalswahl  | Bild: WDR

Jetzt müssen sie schnell sein. Die Wahlplakate der Linken Wahlbündnisses, zugeklebt von der extrem rechten Partei Rassemblement National. Das lassen die beiden Wahlkämpfer nicht zu – und kleben ihre wieder darüber. "Der kommt in 20 Minuten wieder und wir dann kurz danach", sagt Denis Guvenatam. So geht es mehrmals am Tag. In Genlis, einem Vorort von Dijon in der Bourgogne. Für Schlaf bleibe gerade wenig Zeit, sagen die beiden Wahlkämpfer. "Das ist kein Spiel. Es ist echt ernst. Es geht ja um den Rassemblement National."

Und so sieht ihr Klebe-Konkurrent aus: Eric Tallec ist gerade besonders motiviert. Erstmals gibt es die Möglichkeit, dass sein Rassemblement National die Regierung stellt: "Ich glaube, wir bekommen die absolute Mehrheit." Vor kurzem hat Eric seinen Betrieb verkauft, ihm geht es gut. Seit Macron Präsident ist, sei es wirtschaftlich besser geworden, ja.  Aber er zeichnet ein düsteres Bild von Frankreich: Zu viel Einwanderung, zu wenig Sicherheit, zu hohe Staatsschulden. "Es gibt so viele Probleme, die nicht gelöst sind. Das ist doch nicht normal. Und Macron? Seit sieben Jahren kümmert er sich nicht um die wahren Probleme", findet er. Eric glaubt, dass mit dem Rassemblement National alles besser werde: Weniger Steuern, weniger Migranten. Und ein klar nationalistischer Kurs, dass es Sozialleistungen zum Beispiel nur noch für Franzosen geben soll.

Bündnisse als Gegenpol zur starken Rechten

Hier im Wahlkreis im Süden von Dijon wurde der Rassemblement National mit diesen Versprechen im ersten Wahlgang stärkste Kraft. Jetzt steht er gegen das linke Wahlbündnis in der Stichwahl. Die Drittplatzierte hat sich zurückgezogen, eine Kandidatin des Mitte-Lagers von Präsident Macron. Das Kalkül: das linke Wahlbündnis hier stärken, als Gegengewicht zum Rassemblement National. Wie in Dijon gibt solche Absprachen in mehr als 200 Wahlkreisen.

Heute kommt die Etappe der Tour de France in der Stadt an. Wie eng das politische Rennen ist, geht auch am größten französischen Sportereignis nicht vorbei. Guillaume Ferrari hat im ersten Wahlgang das Mitte-Lager von Macron gewählt. Jetzt muss er sich umentscheiden: "Das ist gar nicht so schwer. Ich habe jetzt die Wahl zwischen zwei Optionen – und da ich den Rassemblement National nicht will, wähle ich die anderen." Wie für Guillaume geht es für die meisten in Frankreich beim zweiten Wahlgang vor allem um die Frage: Für oder gegen den Rassemblement National?

Frankreich: der RN hofft auf eine absolute Mehrheit bei den Stichwahlen.
Frankreich: der RN hofft auf eine absolute Mehrheit bei den Stichwahlen. | Bild: WDR

Die Sozialisten wollen die Extreme Rechte verhindern. Gerade noch auf die Plakatwand geklebt, ist er jetzt live vor Ort. Pierre Pribetich, der Kandidat aller linken Parteien im Wahlkreis. Die Stimmung ist gut. Die vorher völlig zerstrittenen Linken in Frankreich haben sich zu einem Wahlbündnis zusammengetan. "Das ermöglicht uns, dass die unterschiedlichen Teile der Linke einzeln nicht untergehen. Man muss es einfach aus dieser Sicht betrachten: Wir hätten keine Chance, wenn wir getrennt antreten würden", erklärt der Kandidat.

Doch in seinem Wahlkreis läuft für Pribetich nicht alles rund. Er ist mit seinem Team unterwegs. Wahlkampf von Tür zu Tür. Für Diskussionen sorgt, dass eine bestimmte Partei vom äußeren linken Rand beim Wahlbündnis mitmischt. Das macht einigen die Entscheidung schwer. "Das ist einfach die extreme Linke, genauso wie die extreme Rechten. Sonst sind die Linken gut, die Sozialisten auch", sagt Joel Chanliaux.

Am Abend ist dann doch viel los. Pribetich hat zu einer der letzten Wahlkampfveranstaltungen eingeladen. Mit so vielen Besuchern hatten sie gar nicht gerechnet. "Werdet aktiv, bringt die Menschen zum Wählen. Nicht für mich, sondern um abzuwenden, dass die Extreme Rechte in Frankreich an die Regierung kommt", erklärt er. Die Resonanz stimmt Pribetich optimistisch. Diese Wahl habe für Frankreich eine besondere Bedeutung.

Autorin: Friederike Hoffmann / ARD Studio Paris

Stand: 08.07.2024 10:30 Uhr

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Westdeutscher Rundfunk
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