So., 15.11.20 | 19:20 Uhr
ARTE
Frankreich: Vom Acker auf den Tisch
Los geht`s. Es ist frisch und früh am Morgen. Die Erntehelfer sind schon an der Arbeit. Zeit für den Feldsalat. Xavier Cugnière packt meistens selbst mit an: "Ja, das läuft gut. Andere Sorten machen mehr Arbeit – wir haben ca. 50 verschiedene.“
Xavier ist Bauer aus Passion. Hier, in der Picardie, im armen Norden Frankreichs ist er aufgewachsen. Den Betrieb hat er von seinem Vater übernommen. Seine Produkte wie Tomaten müssen von hier auf die Märkte und zu den Kunden gebracht werden, das kostet Zeit und Geld. Xavier wollte da neue Wege gehen.
Gemüse auf direktem Weg
Er baut vor allem Bio an, nicht für große Ketten, sondern für Kunden aus der Umgebung – und das alternative Vertriebssystem, Kelbongoo. "Für die Kunden ist das gut, weil sie wirklich Qualitätsprodukte bekommen für einen vernünftigen Preis und nicht draufzahlen müssen. Das zahlt sich also für alle Beteiligten aus", erzählt Xavier.
Das finden auch Marie-Amélie Boulin und ihre Familie in Paris! „Lauch? Den magst du doch, Alice. Nein, wir nehmen den hier, der ist billiger", bespricht sie den Einkauf mit ihren Kinder. Die Familie bestellt ihre Lebensmittel per Internet bei Kelbongoo. Das Angebot ist groß: Obst, Gemüse, Saft. Und Marie-Amélie weiß genau, woher die Lebensmittel kommen: von Bauern, direkt aus der Region. „Was mich interessiert, sind frische Produkte, kurze Lieferwege und ein gutes Preis-Leistungsverhältnis", sagt Marie-Amélie.
Das stimmt auch für Xavier: Er packt gerade das Gemüse für die Lieferung nach Paris zusammen. Auf dieser Palette hat er alles aufgestapelt, was im Internet bei ihm geordert wurde. Um den Transport muss er sich nicht selber kümmern, das übernimmt Kelbongoo. Trotzdem macht er einen guten Schnitt: Zwei Drittel des Verkaufspreises des Internethandels bekommt er. Und dazu hat er auch noch seinen Kundenstamm vergrößert. Er erreicht so sehr viel mehr Käufer als allein durch seinen Hofladen. Viele Gründe also, um sein Gemüse über das alternative Vertriebssystem zu vermarkten.
„Hier haben wir Mangold, der heute Morgen geerntet wurde und darunter Grünkohl und Endiviensalat. Das entspricht genau dem, was ich immer wollte: Wir Bauern produzieren, Kelbongoo schätzt unsere Produkte und gibt sich mit geringen Gewinnmargen zufrieden. Es ist also eine Partnerschaft, die ökonomisch und sozial zugleich ist. Und der Vorteil für mich ist, ich kann mehr verkaufen, zu Preisen, die ich selbst bestimme", sagt Xavier.
Kelbongoo als Non-Profit-Unternehmen
Start Richtung Hauptstadt: Abdallah Ayoumie hat die Gemüse-Paletten von Xavier und ein paar anderen Bauern geladen und fährt sie nach Paris. Früher hat er Möbel transportiert, jetzt fährt er Obstkisten: "Das läuft gut! Das ist ein sympathisches Unternehmen, sehr freundlich und die Bezahlung stimmt auch.“
Stopp im Zwischenlager. Hier wird die Ware von insgesamt 90 Bauern aus der Region angeliefert, sortiert und verpackt. 2500 Bestellungen wöchentlich werden so abgewickelt. Ein beachtliches Zentrallager. Tatsächlich ist Kelbongoo aber ein kleines Unternehmen. Mit gerade 40 Angestellten und bescheidenen drei Millionen Jahresumsatz. Jeder neue Laden ist für sie schon ein Erfolg.
In Paris warten sie schon auf Abdallah und seinen LKW. Caroline, die Geschäftsführerin, packt mit an. Das alles sind die Bestellungen der Kunden aus dem Viertel im 20 Arrondissement. Im Laden: Kurzer Check. Dann werden die Tüten mit Kartoffeln und Gemüse in die nummerierten Kundenkartons verteilt. Marie-Amélie steht mit ihrer Mutter und den Kindern Schlange vor dem Laden, bis sie an der Reihe sind. Hände desinfizieren!
Der Mangold ist so knackig, der wird direkt eingepackt. Da sind auch schon ihre Kundenkartons. „Kürbis, ich habe zwei. Mama willst du einen? Ich habe einen zu viel bestellt", fragt Marie-Amélie ihre Mutter. Alice überprüft auf dem Tablett die Einkaufsliste, die Kinder checken – ist auch alles dabei? „Ich finde, es ist hier billiger als in den klassischen Bioläden, aber die Qualität ist trotzdem bio", fügt Marie-Amélie hinzu.
Das liegt an der schlanken Organisation von Kelbongoo. Alles ist schlicht und simpel. Caroline Filiatre führt den Laden, sie ist fest angestellt und verdient knapp 1800 Euro im Monat. Kelbongoo ist ein sogenanntes Non-Profit-Unternehmen, ohne hohe Gewinnerwartung. „Kelbongoo ist ein sozial orientiertes Unternehmen. Das Ziel ist nicht, reich zu werden, sondern zu organisieren, dass die Pariser sich gesund ernähren können zu einem vernünftigen Preis", erzählt sie.
Abmarsch: Die Drei gehen nach Hause, zufrieden mit ihrem Wocheneinkauf. Übrigens: ‚Kelbongoo‘ ist lautmalerisch und heißt so viel wie: welch ein guter Geschmack!
Autorin: Sabine Rau/ARD Studio Paris
Stand: 15.11.2020 21:07 Uhr
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