So., 05.11.23 | 18:30 Uhr
Gaza: Bodentruppen im Häuserkampf
Die israelische Armee rückt im Norden des Gazastreifens weiter gegen die Hamas vor. Es droht ein verlustreicher Kampf um Häusern und in Tunneln. Die Hisbollah im Norden hält sich derzeit noch weitgehend zurück.
Der Häuserkampf wird Verluste mit sich bringen
Israelische Soldaten kämpfen sich Stück für Stück vor. Es geht um die Zerstörung der Terrororganisation Hamas. Das Ziel ist also, alle Terroristen zu töten oder gefangen zu nehmen. Zudem wollen die israelischen Soldaten die komplette Infrastruktur der Hamas, einschließlich aller Waffen zerstören. "Die israelische Armee hat jetzt Gaza-Stadt umringt und wird sich jetzt auf den Häuserkampf vorbereiten müssen", erklärt der Militärexperte Fabian Hinz. "Man hat bisher eher die ländlicheren Gebiete um Gaza-Stadt herum eingenommen und jetzt geht es um Häuserkampf und das wird Verluste mit sich bringen, das ist selbst für eine so gut ausgebildete Armee, wie die israelische noch sehr, sehr schwer."
Der letzte große Städtekrieg, in dem sich Soldaten von Straße zu Straße, von Haus zu Haus vorkämpfen mussten, endete 2017 im irakischen Mossul. Von der Einwohnerzahl mit Gaza vergleichbar. Aber sonst gab es dort gravierende Unterschiede. Damals kämpfte die irakische Armee gegen die Terrororganisation IS. Anders als in Gaza konnten Zivilisten nach und nach aus der Kampfzone flüchten. Der IS hatte sich in der Stadt verschanzt, war aber international isoliert, bekam keine Unterstützung. Trotzdem dauerte der Häuserkampf neun Monate. Dabei starben rund 10.000 Zivilisten. Die Hamas ist militärisch besser ausgerüstet als der IS damals, weil sie von Iran und der libanesischen Hisbollah unterstützt wird.
Das Tunnelsystem der Hamas
Hinzu kommt noch ein weiterer, ganz entscheidender Unterschied zu Mossul. Gaza ist mit einem Netz von geheimen Verbindungswegen untertunnelt. Von dort aus operieren die Hamas-Milizionäre. Dorthin können sie sich zurückziehen und von dort aus können sie überraschend zuschlagen, israelische Soldaten aus dem Hinterhalt angreifen. Diese Tunnel muss die israelische Armee finden.
"Diese sehr, sehr weitreichenden Tunnel, manche sprechen von hunderten von Kilometern, können nicht allein aus der Luft zerstört werden, es gibt andere Möglichkeiten", so Fabian Hinz. "Die Israelis haben sehr innovative Methoden, wie zum Beispiel Schaumbomben, die in den Tunneln Schaum verbreiten, der dann die Tunnel verschließt. Prinzipiell versuchen Soldaten immer Tunnel an sich zu vermeiden, weil das Hineingehen in die Tunnel viel zu riskant ist für die Soldaten selber. Die Frage ist, wird das im israelischen Fall vermeiden können, wenn in den Tunneln weiterhin Geiseln festgehalten werden."
Gefahr durch Hisbollah aus dem Norden?
Der Straßen-, Häuser- und Tunnel-Kampf bindet sehr viele israelische Soldaten in Gaza, was dann zu einem Problem wird, wenn zum Beispiel die libanesische Hisbollah im Norden eine zweite Front eröffnen würde. Bisher feuert sie nur wenige Raketen auf Israel ab. Einen groß angelegten Krieg hat die Hisbollah bisher nicht begonnen. "Sollte Israel von Libanon aus angegriffen werden, gilt ganz Libanon als Feind", sagt Khalil el Helou von der Sankt-Joseph-Universität in Beirut. "Somit wäre die Infrastruktur ein Ziel und Israel würde uns in die Steinzeit bomben. Das muss die Hisbollah berücksichtigen. Es kommen ja nicht nur die Libanesen zu Schaden, die gegen die Hisbollah sind, sondern auch ihre Anhänger. Vor allem wird dann auch ein Wiederaufbau ohne arabische oder westliche Unterstützung sehr schwierig."
Die US-Regierung hat zwei Flugzeugträger in die Region entsandt, damit keine weiteren Akteure, wie die libanesische Hisbollah oder gar der Iran in den Krieg Israels gegen die Hamas eingreifen. Da sich die israelische Armee ein Maximalziel gesetzt hat, nämlich die Zerstörung der Hamas, ist mit sehr vielen weiteren zivilen Opfern zu rechnen. Vor allem auch deshalb, weil nicht nur sehr viele Bodentruppen im Einsatz sind, sondern auch die israelische Luftwaffe weiterhin angreift. Das von der Hamas kontrollierte Gesundheitsministerium beziffert die Zahl der Toten schon jetzt auf mehr als 9.000.
Autor: Alexander Stenzel
Stand: 05.11.2023 21:40 Uhr
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