So., 14.01.24 | 18:30 Uhr
Das Erste
Griechenland: Journalisten in Bedrängnis - Pressefreiheit in Gefahr
Statha Karaivaz schaudert es immer noch an diesem Ort, an dem ihr Mann erschossen wurde. Es war Freitagnachmittag, der 9. April 2021. Eine Nachbarin rief an: im Viertel gibt es eine Schießerei. Giorgios Karaivaz, ein angesehener Polizeireporter, trat in vielen Sendungen auf – sein wichtigstes Thema: Korruption bei der griechischen Polizei und die Beziehungen zwischen Großunternehmern, Politik und organisierter Kriminalität. Giorgios fand wohl wegen seiner Recherchen den Tod.
Für "Reporter ohne Grenzen" ist der bis heute nicht aufgeklärte Mord an dem Journalisten ein klarer Angriff auf die Pressefreiheit. In ihrer Rangliste der weltweiten Pressfreiheit belegt Griechenland Platz 107, den schlechtesten aller EU-Länder.
Massives Abhören mit "Predator"
Am Eingang zur Zentrale des griechischen Journalistenverbands in Athen erinnert dieses Plakat an Giorgos Karaivaz. Der Mord hat viele erschüttert. Hier treffen wir den Journalisten Thanasis Koukakis. Sein Fachgebiet: Wirtschaftskriminalität. Er erzählt uns, dass in Griechenland auch der Geheimdienst gegen die Pressefreiheit verstoßen haben soll. In mehreren Artikeln für die Financial Times prangerte Koukakis an, dass aufgrund neuer Gesetze eine effiziente Verfolgung von Geldwäsche und Steuerhinterziehung in Griechenland de facto unmöglich geworden ist. Die Regierung habe zunächst versucht, Druck auf die Zeitung auszuüben und die Berichterstattung zu verhindern, erzählt er. Gleichzeitig, so Koukakis, geriet er selbst ins Visier des Geheimdienstes: Über eine auf das Smartsphone verdeckt installierte Spionagesoftware, Predator, sollen Journalisten, der Oppositionsführer und sogar Minister der Regierung abgehört worden sein – so die Recherchen von Koukakis und mehreren anderen Kollegen.
Ein weiteres Problem: Viele große Mediengruppen gehören mächtigen Geschäftsleuten, zumeist Reedern, mit enormem wirtschaftlichem wie politischem Einfluss. Ein Beispiel: Vangelis Marinakis, Schiffseigner, Besitzer des Fußballclubs Olympiakos und zugleich Besitzer eines Medienimperiums. „Reporter ohne Grenzen“ sieht in Griechenland strukturelle Probleme als Bedrohung für die Pressefreiheit. Vassilis Panagiotopoulos: "Es ist dieses Dreieck der Macht: wir haben Medien, Geschäftsleute und die Politik. Das ist nicht nur in Griechenland so. Aber: die Kombination dieser Faktoren, das ist einzigartig. Wir haben einen Überwachungsskandal, einen Mord an einem Journalisten, die Klagen und auch das Problem der Eigentumsverhältnisse. Diese ganze Kombination macht es für die Pressefreiheit in Griechenland so schwierig."
Viele Journalisten fühlen sich bei ihrer Arbeit bedroht.
Es braucht oft Mut bei unserem europäischen Partner Griechenland, für die Pressefreiheit zu streiten.
Autorin: Anja Miller, ARD Rom
Stand: 14.01.2024 19:07 Uhr
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