Mo., 04.09.17 | 04:50 Uhr
Das Erste
Grönland: Amerikas Horchposten in Thule
Es ist ein einzigartiger Ort, haben uns die Soldaten erzählt. Der einzige Platz auf der Erde, an dem drei Gletscher nebeneinander ins Meer münden. Aber die Gletscher sind nicht das einzige, was Thule so besonders macht. Die großen Radaranlagen auf den Hügeln – amerikanische Soldaten wachen auch hier hoch im Norden Grönlands. Seit 1951 lauscht die US-Armee von hier aus Richtung Osten, über den Nordpol. Um vor russischen Interkontinental-Raketen zu warnen. Und die Amerikaner planen nicht, die Basis aufzugeben.
Besuch auf normalerweise verbotenem Gelände
Für Journalisten ist das normalerwiese verbotenes Gelände. Wir haben erst nach Monaten die Genehmigung für den Dreh bekommen. "Links sieht man die Hallen, die am Flugfeld stehen und in denen wir Flugzeuge bei schlechtem Wetter unterstellen können. Und rechts die Unterkünfte für das Militärpersonal", sagt Sergeant James Lawrence. Er begleitet uns, und dazu noch eine Dame aus dem Hauptquartier in Denver/Colorado. Die US-Armee beaufsichtigt Journalisten auf ihren Stützpunkten genau.
Modernstes Radar der US-Armee
Es ist Sommer, Schlamm-Saison. Der Permafrost-Boden taut auf. Die Schlamm-Saison kommt nach der Moskito-Saison. Davor die Winter-Saison. Mit Temperaturen bis zu 30 Grad Minus und 100 Tagen Dunkelheit. Jetzt tragen fast alle hier die praktischen Schuh-Überzüge aus Plastik. Was sie hier oben eigentlich machen, wollen wir wissen? Wen belauschen sie? Der verantwortliche Offizier ist vor allem ziemlich stolz auf seine Radaranlage. "Das ist das modernste Radar, das die US-Armee derzeit im Einsatz hat", sagt Emerique Navarra. "Um in das Weltall zu schauen. Und vor Raketen zu warnen. Wir können 240 Grad Richtung Osten kontrollieren, und bis zu 5.000 Kilometer ins All hinein schauen. 3000 Radarmodule sind verbaut, damit wir alles sehen, was da oben passiert." Dass die Anlage arbeitet, merken wir in den Aufzeichnungen unserer Kamera.
Alles Top Secret
Vor allem Satelliten und Weltraumschrott hätten sie im Blick, sagt der Captain. Über das Frühwarnsystem gegen russische Raketen spricht er nicht so gerne. Aber alles hier draußen wird sehr sorgfältig bewacht. Top Secret, wie es heißt. Im Trainingszentrum haben sie ein rotes Telefon, so wie man es aus Hollywood-Streifen kennt. Sie üben regelmäßig. Sollten sie hier einmal Raketen aus dem Osten entdecken, blieben nur noch wenige Minuten Zeit, in denen der US-Präsident über die militärischen Reaktion entscheiden müsste. Atomkrieg – ja, oder nein. Wir hoffen, dass das rote Telefon nie für einen Ernstfall benutzt werden muss.
Einer der unbeliebtesten Posten im US-Militär
Captain Navarra ist für ein Jahr nach Thule versetzt, wie alle hier. Es ist einer der unbeliebtesten Posten im ganzen US-Militär. Am Ende der Welt, ohne Familie. Die Soldaten sind froh, wenn sie die Zeit hinter sich haben: "Rund um die Uhr Helligkeit für vier Monate, dann vier Monate völlige Dunkelheit, das ist wirklich hart im Alltag, aber ein Blick in die Natur macht vieles erträglicher", sagt Navarra. Zu bestaunen gibt es jetzt vor allem die Eisberge, die an der Militärbasis vorbeiziehen. Und die Polarhasen, die überhaupt keine Scheu vor Menschen haben.
"Geostrategisch wichtige Basis"
600 Soldaten und Zivilisten sind auf dem Horchposten stationiert. Im Kalten Krieg waren bis zu 10.000 GIs hier untergebracht. Und weil das strategische Interesse an der Polarregion wieder wächst, weil die USA die Arktis Russland nicht überlassen wollen, bauen sie hier wieder neu. "Thule ist eine geostrategisch wichtige Basis", erläutert der Kommandeur Thomas R. Colvin. "Wir haben hier einen Hafen, den wir nutzen können, wir haben hier ein Flugfeld, das bedeutet eine stabile US-Militär-Einrichtung in der Arktis. Wenn so man will, eine Art stabilisierende US-Basis in einer Region, in der es in Zukunft wirklich turbulent zugehen könnte."
Am Abend an den Spielautomaten
Wenn es in Thule jetzt irgendwo zumindest ein klein wenig turbulent zugeht, dann im Soldatenheim. Neben der Sporthalle der einzige Ort, an dem die Soldaten und die wenigen Soldatinnen ihre Zeit totschlagen können. Hier treffen wir Sergeant Lawrence wieder. Dieses Mal in Zivil. Die Spielautomaten kennt er nach acht Monaten auf der Basis in und auswendig, dennoch kommt er fast jeden Abend her. "Natürlich kann es langweilig werden, wenn man jeden Abend hier ist", sagt James Lawrence. "Aber manchmal hat das Soldatenheim geschlossen, und dann wird es richtig langweilig, weil es gar nichts gibt, wo man hingehen kann. Für uns ist das schon ein guter Ort, um uns die Zeit zu vertreiben."
Versorgung aus der Luft
Versorgt wird die Basis im grönländischen Nirgendwo von ein paar Schiffen, aber vor allem aus der Luft. Mehrmals in der Woche landen Transportflugzeuge. Und viele in Thule freuen sich, wenn sie hoffentlich demnächst auch in einem dieser Flugzeuge sitzen werden. Der Blick auf die Basis beim Abflug nach Hause ist der schönste, sagen sie.
Autor: Clas Oliver Richter
Stand: 20.07.2019 16:50 Uhr
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