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Indien: Die Straßenschule

Indien: Die Straßenschule | Bild: WDR

Unterrichtsbeginn in der Straßenschule. Mehr als 80 Kinder unterrichtet Than Singh täglich – mitten auf einem Parkplatz in Indiens Hauptstadt Neu-Delhi. Vor acht Jahren hat der Polizist dieses Projekt ins Leben gerufen. Mit der Straßenschule will er denjenigen helfen, die aus armen Verhältnissen stammen und ansonsten keinen Zugang zu Bildung hätten: "Ich wollte vor allem Kinder unterrichten, die nur sehr begrenzte Möglichkeiten im Leben haben. Mir ist es wichtig, mit gutem Beispiel für die Gesellschaft voranzugehen. Ich kenne die Situation der Kinder, auch meine Familie stammt aus sehr armen Verhältnissen."

Indien: Er hatte die Idee für die Straßenschule – Polizist Than Singh.
Indien: Er hatte die Idee für die Straßenschule – Polizist Than Singh. | Bild: WDR

Zwölf mal acht sind 96, weiß Vikas. Lesen, Schreiben und Rechnen konnten viele der Schülerinnen und Schüler lange nicht. Than Singh und vier weitere Lehrerinnen haben ihnen all das beigebracht. Der Ehrgeiz der Kinder ist riesig, denn die Schule bietet für sie die große Chance auf ein Leben außerhalb der Slums. "Meine Eltern sind zu arm, um sich die Schulgebühren, die Uniform und die ganzen Bücher leisten zu können. Ohne diese Schule hätte ich keine Chance auf Bildung", sagt Siebtklässler Ravi. "Ich will einmal Polizistin werden. So wie Than Singh. Das ist nur möglich, weil wir so tolle Lehrerinnen und Lehrer haben. Sie bringen uns sehr viel bei", erzählt Neelu aus der 5. Klasse.

Ein gemeinsames Projekt

Von einem nahegelegenen Tempel erhalten die Schülerinnen und Schüler kostenloses Mittagessen – für sie oftmals die einzig warme Mahlzeit des Tages. Spenden finanzieren die Straßenschule und auch das Gehalt von Helferinnen, wie der 20-jährigen Studentin Ankita Sharma. Sie ist begeistert vom Projekt und dem Lernwillen der Kinder: "Die Schülerinnen und Schüler wollen so viel wissen – alles womit ich mich auskenne, soll ich ihnen beibringen. Sie haben große Träume und das Ziel, wirklich etwas aus ihrem Leben zu machen."

Indien: Die Schüler lernen Lesen und Schreiben.
Indien: Die Schüler lernen Lesen und Schreiben. | Bild: WDR

Zu den Lerninhalten gehört mehr als nur die reine Bildung aus Büchern. Gemeinsam mit Lehrerinnen entwickeln die Kinder Theaterstücke zu gesellschaftlichen Themen. In dem Stück fordert Neelu ihre Mitschülerinnen und Mitschüler auf, die Finger von Drogen zu lassen. Denn zahlreiche Kinder aus den Slums kommen damit früh in Kontakt. Than Singh ist es wichtig, über Drogenmissbrauch aufzuklären. Die Kinder sollen schon im jungen Alter die Gefahren kennen. "Am Anfang gab es einige Kinder, die süchtig nach Kautabak waren. Deshalb führen wir dieses Theaterstück auf. Um darauf aufmerksam zu machen, dass Drogen etwas sehr gefährliches sind, man schnell abhängig werden und sogar in die Kriminalität rutschen kann", erklärt er.

Auch Rikscha-Fahrer wie Mohammad Kamraan helfen beim Projekt mit. Kostenlos bringen sie die Kinder zur Schule und holen sie am Nachmittag wieder ab. Und das obwohl viele von ihnen selbst kaum Geld verdienen. "Ich konnte nicht zur Schule gehen. Deshalb bin ich so froh, wenn ich die Kinder sehe. Ich wünsche mir, dass sie später nicht Rikscha fahren müssen", sagt er.

Das Ziel von Than Singh und seiner Straßenschule: Dass die Kinder einmal ein besseres Leben als ihre Eltern führen können, dass sie aus der Armut herauskommen – und durch Schulbildung die Chance auf einen gut bezahlten Job bekommen. "Ich würde mir für sie wünschen, dass sie zum Beispiel Richter, Ärzte oder Polizisten werden – all das, was ihnen vorschwebt. Ich hoffe, dass sie die Bedeutung von Bildung verstehen. Denn das alleine hätte schon einen riesigen Einfluss auf ihre Zukunft", erzählt Than Singh.

Glücklich sei er dann, sagt Singh, wenn es gelingen würde, auch nur ein Kind langfristig von der Straße zu holen.

Autor: Oliver Mayer / ARD Neu-Delhi

Stand: 03.03.2024 20:45 Uhr

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Westdeutscher Rundfunk
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