So., 20.10.19 | 19:20 Uhr
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Irak/Europa: "Al Salam 313": Eine irakische Rockergang schüchtert in Europa Dissidenten ein
"Du kennst mich nicht: Wir sind ein Netzwerk. Wenn Du nicht aufhörst, erledigen wir Dich". Eine gesprochene Nachricht, die ein irakischer Journalist in Finnland auf sein Handy bekam. Der Reporter musste einst aus dem Irak fliehen, da er dort bedroht wurde. Er hatte auch über Gräueltaten von schiitischen Milizen berichtet. Jetzt ist er selbst im finnischen Exil nicht mehr sicher.
Und sagt, er weiß, wer ihn bedroht: eine Rockergang mit Namen "Al Salam 313". Sie wurde gegründet von einem gebürtigen Iraker aus Deutschland. Ganz offensichtlich schüchtert die Bande in ganz Europa auch weitere irakische Flüchtlinge – vor allem Journalisten und Blogger – ein, die sich kritisch mit den schiitischen Milizen auseinandersetzen.
"Wenn Du nicht aufhörst, erledigen wir Dich"
"Du kennst mich nicht. Wir sind ein Netzwerk. Wenn Du nicht aufhörst, erledigen wir dich." So lautete die Nachricht auf dem Handy des Journalisten Aduleimi. "Sie sagten: Wir beobachten alle, die gegen die Regierung sind", sagt Aduleimi."Sie haben mir einen Screenshot von einem meiner Tweets geschickt und gesagt, ich würde mich über die irakische Regierung lustig machen und sei gegen die Milizen."
Der Journalist hatte im Irak über den Krieg berichtet. Auch über Gräuel schiitischer Milizen. Als diese in seiner Heimat die Kontrolle übernahmen, musste er fliehen. 2017 kam er in einem Flüchtlingsboot nach Griechenland. Reiste weiter nach Finnland. In Helsinki glaubte er sich in Sicherheit – jetzt aber wird er wieder bedroht. Der Absender: Al Salam 313. "Diese Organisation wurde vor einiger Zeit von einem Iraker in Deutschland gegründet", erklärt Aduleimi. "Der Anführer von "313” heißt Mohammed Bunia."
Im Internet präsentiert sich der Anführer stolz mit seiner Rockergang. In seinen Facebook Posts brüstet Bunia sich mit besten Beziehungen. Etwa zu einem hohen irakischen Geistlichen oder dem Sprecher des Innenministeriums. Kritikern wie dem Journalisten in Finnland drohte er öffentlich. "Wenn jemand meinen Namen erwähnt oder meinen Glauben in den Schmutz zieht, werde ich ihn umbringen", so Mohammed Bunia
Im Visier: der westliche Lebensstil
Ende Mai eine Razzia im Ruhrgebiet. "Straftaten im Bereich Schleuser-Kriminalität aber auch Fälschungsdelikte sowie Waffen und Betäubungsmitteldelikte", erklärte ein Polizeisprecher damals. Auch diese junge Frau in Deutschland berichtet, dass sie von Al Salam 313 – bedroht wird. Die Polizei riet der irakischen Bloggerin, sich nicht mehr öffentlich zu äußern, nachdem sie diese Morddrohungen erhielt. "Hure! Ich verpasse Dir einen Kopfschuss und jeder andere Hure, die deine Denkweise hat. Ich werde meinen Freund Mohammed Bunia in Deutschland beauftragen, seinen Fuß in deinem Arsch zu stecken."
Ein weiteres Opfer, erhielt diese Video-Nachricht von Mohammed Bunia. Er droht mit geladener Waffe und feuert in die Nacht. "Jeder, der auf Facebook oder im Fernsehen behauptet, er werde von uns bedroht, soll sich lieber direkt an uns wenden. Wir sind die Verantwortlichen. Es gibt noch viel mehr von uns in Schweden, Deutschland und Holland."
"Wir haben über solche Typen im Irak gelacht", sagt die Bloggerin. "Jetzt sind sie dort an der Macht und die Gewalt richtet sich vor allem gegen Frauen mit westlichem Lebensstil." Auch die Bloggerin erhielt im Irak Morddrohungen. Sie vermutet Milizen dahinter. Seitdem diese mächtig seien, komme es immer wieder zu Morden an Frauenrechtlerinnen. Zum Beispiel Instagram Star Tara Fares. Die modern auftretende Frau wurde am helllichten Tag auf offener Straße – in ihrem Auto - regelrecht hingerichtet. Ein Video, das die Tat zeigen soll, kursierte in sozialen Medien. "Die jungen Männer verstehen sich als Religionspolizei. Angestachelt werden sie von religiösen Führern", meint die Bloggerin.
Religiöser Prediger stacheln an
Predigten wie diese würden junge religiöse Männer im Irak als Aufforderung verstehen, auch mit Gewalt gegen Frauen und Ungläubige vorzugehen. "Glaubt mir! Ich schwöre bei Allah! Die Frauen, die raus auf die Straße gehen und unter Männern sind, kennen keinen Ali Hussein. Gott ist mein Zeuge", predigt Seyyed Ali Talqani. Die Bloggerin meint dazu: "Ali Taleqani ist eine mächtige Figur im Irak. Er gibt sich nach außen gemäßigt, aber wenn er eine Fatwa gegen dich ausspricht, dann wird es sehr gefährlich für Dich."
Ali Talaqani bei einem Besuch in Deutschland. Am Flughafen Düsseldorf empfängt ihn Mohammed Bunia, der Anführer von Al Salam 313. Gemeinsam fahren sie nach Holland. Hier treffen sie sich mit den Mitgliedern der von Al Salam 313 aus ganz Europa. Das Logo erinnert stark an die weiße Taube der irakischen Miliz "Saraya al Salam". Nur mit Hilfe der schiitischen Milizen gelang ein Sieg gegen den sogenannten Islamischen Staat. So wurden sie in der Politik zu einem wichtigen Machtfaktor. Jetzt werden sie in die Armee integriert. Kritik ist unerwünscht.
Immer wieder Einschüchterungen
Der Fotograf Ali Arkady musste aus dem Irak fliehen, weil er die Gräueltaten der Milizen beim Kampf um Mossul bekannt gemacht hatte. "Diese Gruppe will Leute in Europa einschüchtern, sie sagen, wir sind hier in Europa, du darfst nicht sagen, was im Irak geschehen ist – oder wir tun dir was an."
Genau das erlebt der irakische Journalist in Finnland. Um ihn einzuschüchtern, schickt ihm die Gruppe ein Bild von seinem Ausweis, seiner Meldebescheinigung in Finnland und Details zu seinem Wohnort. "Sie sagten, wir wissen alles über dein Privatleben hier in Finnland und über deine Familie im Irak", erzählt Aduleimi. "Und dann schrieben sie: Jeder Versuch von dir die Polizei zu verständigen, ist dein Todesurteil."
Nur, wie sind seine Bedroher an diese vertraulichen Informationen gekommen? Mohamed Bunia jässt jedenfalls wissen, dass er gute Beziehungen zu einem einflussreichen Mann habe: Saad Maan, Sprecher des Irakischen Innenministeriums. Für die irakischen Flüchtlinge in Europa eine bedrohliche Situation. Aduleimi erstattete Anzeige bei der finnischen Polizei, die Bloggerin in Deutschland. Schutz erhielten sie beide nicht, nur einen Ratschlag: "Sie rieten mir: tauche besser unter, sprich nicht mehr in den Medien, halte Deinen Wohnort geheim", sagt die Bloggerin. "Mit anderen Worten, ich muss mich jetzt auch in Deutschland verstecken."
Autoren: Alex Bühler und Marc Bach (SWR)
Stand: 21.10.2019 10:49 Uhr
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