Mo., 24.10.16 | 04:50 Uhr
Das Erste
Irak: Mossul – militärische Gratwanderung
Monate hat es gedauert, diesen Angriff vorzubereiten. Der Sturm auf die irakische Hochburg des sogenannten Islamischen Staates soll erfolgreich verlaufen, bis zu 40.000 Soldaten und Milizionäre sind beteiligt. Die irakische Armee hat ethnisch und religiös gemischte Einheiten gebildet und vorher genau festgelegt, dass weder schiitische Milizen noch kurdische Kämpfer bis in die Stadt vordringen sollen.
Bis zu 5.000 IS-Kämpfer als Gegner
In Mossul leben noch mehr als eine Million überwiegend sunnitische Muslime. Der IS lässt sie nicht fliehen, die irakische Armee will verhindern, dass es nach einer möglichen Befreiung Mossuls zu religiösen Konflikten und Rachemorden kommt. Zusätzlich erschwert wird die militärische Operation durch die Tatsache, dass die 4.000 bis 5.000 IS-Kämpfer auf der anderen Seite nicht am Leben hängen: Für sie ist der "Märtyrertod" erstrebenswert.
"Hier ist Qayyara – der Schlüssel zur Befreiung Mossuls" steht auf diesem Schild. Die irakische Armee gibt sich siegessicher. Von der Basis Qayyara aus rückt sie aus südlicher Richtung gegen den IS vor, während die Kurden von Osten und Norden kommen. Heute hat die Armee ein Dorf vor der Stadt Hamam al-Alil erobert, der Abstand zum Ziel verkürzt sich. Ein ehemaliger Parlamentsabgeordneter aus Mossul stößt zu den Militärs um die Lage zu besprechen. Plötzlich verliert ein hoher General die Fassung: "In dem Dorf, das nun vor uns liegt, bin ich geboren", sagt General Ahmad al-Jabouri. "Dort bin ich aufgewachsen, meine Freunde sind noch da, und meine Onkel….. ." Der sunnitische General ist ein leitender Befehlshaber – weil er beim Militär ist mussten 40 seiner Angehörigen sterben, ermordet vom IS. Er bete zu Gott um einen Sieg, sagt er noch.
Jubelrufe und Süßigkeiten
Die irakische Armee kämpft gemeinsam mit Spezialeinheiten der Polizei. Dorf für Dorf rücken sie vor in Richtung Norden. "Ehrlich gesagt hatte ich nicht erwartet, dass die Bevölkerung so gut mit Militär und Polizei zusammenarbeitet", meint General Shaalan Ali. "Sie haben uns mit Jubelrufen und Süßigkeiten empfangen und sie geben Informationen an uns weiter."
Die Zivilbevölkerung ist ständig in Gefahr, zwischen die Fronten zu geraten. Wer kann, der flieht, um nicht vom IS als Schutzschild missbraucht zu werden. Nördlich der Militärbasis Qayyara ergeben sich IS Kämpfer den irakischen Truppen. Kaum sind sie gefangen, will jeder Soldat ein Foto machen. Im Vorfeld der Militäroperation war viel von Rache die Rede – doch hier ist die Behandlung gut, jedenfalls, so lange Kameras in der Nähe sind. "Sistani hat gesagt, wir sollen ihnen Wasser geben" rufen die Männer. Gemeint ist Ali al-Sistani, geistliches Oberhaupt der irakischen Schiiten. Ihre Rolle beim Angriff auf Mossul ist umstritten. Hier im Süden stellen sie Versorgungseinheiten und bleiben im Hintergrund.
In den Dörfern, die die Sicherheitskräfte erobert haben, atmen die Bewohner auf – nun hoffen sie, dass der IS ganz verschwindet. "Wir sind befreit, aber Mossul fehlt noch – hoffentlich wird es bald frei sein." Nahe dem Ort Mishraq kommt zur militärischen Bedrohung eine giftige Wolke: IS Kämpfer haben das Lager der Schwefelfabrik angezündet, bevor sie sich zurückzogen. Weiter südlich macht eine schwarze Wolke den Tag zur Nacht: Seit August brennen hier die Ölquellen, entzündet vom IS als Schutz vor Luftangriffen der internationalen Koalition.
Ein Film von Amir Musawy (SWR).
Stand: 13.07.2019 02:01 Uhr
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