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Irak/Syrien: Kaum Erfolg im Kampf gegen den IS

Irak/Syrien: Kaum Erfolg im Kampf gegen den IS | Bild: ARD

Über 5.200 Einsätze sind Flugzeuge der Anti-IS Koalition seit Beginn der Luftschläge vor einem Jahr geflogen. Zehntausende Bomben wurden auf Stellungen der Terrororganisation "Islamischer Staat" in Syrien und im Irak abgeworfen. Vergleicht man Karten über die Ausbreitung des Islamischen Staates von August 2014 mit aktuellen Karten, so zeigt sich: Die Terrorgruppe IS herrscht fast über das gleiche Gebiet wie vor einem Jahr.

Was also hat die Anti-IS-Operation bisher bewirkt? Weltspiegel-Reporter Ashwin Raman besuchte den US-Flugzeugträger "Theodore Roosevelt", von dem aus Einsätze gegen den IS geflogen werden. Und Amir Musawy und Alexander Stenzel (ARD Kairo) berichten aus dem Irak, in dem gerade eine Bodenoffensive gegen den IS begonnen hat.

Irak/Syrien: Luftangriffe auf den IS

Irgendwo im Persischen Golf. Kampfflugzeuge landen und starten im Minutentakt. Bomben werden entsichert. US-Piloten sind zum Einsatz bereit. Ihr Ziel: diese Bomben auf Stellungen der Terrorgrupe "Islamischer Staat" abzuwerfen. Im Irak und in Syrien. Der Flugzeugträger Roosevelt ist eine schwimmende Kleinstadt, auf engstem Raum leben hier bis zu 6.000 Marines. Commander Michael Nordeen, 42 Jahre alt. Der erfahrene Pilot, hat schon in vielen Kriegen und in Hunderten von Einsätzen seine Aufträge abgearbeitet.

US-amerikanisches Kampfflugzeug
Bisher wurden über 5.000 Einsätze gegen den IS geflogen. | Bild: SWR

Auf dem Weg zum Unterdeck. Gleich hat er einen Einsatz. Er soll Stellungen des IS in der irakischen Region von Ramadi zerstören. Fast sechs Stunden werden Nordeen und sein Co-Pilot in der Luft sein. "Unsere irakischen Partner haben einige Ziele ausgewählt. Die Liste wird von unseren Experten genau geprüft, um Kollateralschäden zu vermeiden, um sicherzustellen, dass Zivilisten nicht gefährdet werden. Wir Piloten nehmen die Liste entgegen, starten unsere Maschinen, treffen die ausgewählten Ziele und kehren zurück."

Das Töten ist Routine

Das Töten ist für ihn Routine. Seine Rechtfertigung ist der Kampf gegen den Terror. "Unser Einsatz macht den entscheidenden Unterschied. Wenn wir unseren irakischen Partner unterstützen, hindern wir den IS daran, noch mehr Rückzugsgebiete zu erobern, von denen aus die Terroristen weitere Aktionen planen können."

Flugdeck des Flugzeugträgers "Theodore Roosevelt"
Sechs Stunden dauern die Einsätze der Kampfflugzeuge. | Bild: SWR

Kurze Zeit später starten Nordeen und sein Co-Pilot in einer Tandem-Version des Super-Hornet-Kampfjets Richtung Irak. Die Aufnahmen seiner Bordkamera, die uns das US- Verteidigungsministerium später zur Verfügung stellt, suggerieren Sauberkeit und Präzision. Wer die Person ist, die im unteren rechten Bildrand der Feuerwalze zu entkommen versucht, wissen wir nicht. Ein IS-Kämpfer? Ein Zivilist? Nach ihrer Rückkehr dürfen wir die Piloten nicht befragen. Nicht zuletzt wegen der psychischen Belastung, die so eine Aktion mit sich bringe, sagt man uns.

Aerobic gegen den Stress

In der Abenddämmerung: Stressabbau im Hangar. Aerobic-Kurse – auch gegen das Heimweh. Die meisten hier verbringen das ganze Jahr in dieser stählernen Festung. Dem Lärm des Krieges, dem Dröhnen der Kampfjets können die Soldaten nicht einmal nachts entfliehen. Am nächsten Morgen startet das Aufklärungsflugzeug Delta Hawkeye, ein 150 Millionen Dollar teures Adlerauge der US-Armee. Es kartographiert das Herrschaftsgebiet des IS.

"Wir haben keine US-Truppen am Boden. Wir helfen nur mit unseren Flugzeugen", erklärt Konteradmiral Andrew Lewis. "Unsere irakischen Partner berichten uns, von der angeblichen Einnahme von Dörfern. Wenn ich aber ehrlich bin, weiß ich nicht, ob das wirklich so stimmt". Trotzdem werden weiter Bomben entsichert. Und Piloten in den Krieg befohlen. Über 5.200 Kampfeinsätze haben sie seit Beginn der Operation im August letzten Jahres geflogen. Im Irak und in Syrien. Tag und Nacht.

Irak: Offensive gegen den IS

Auf Pickups, ohne Panzerung fahren sie dem Feind entgegen. Schiitische Milizionäre auf dem Weg zur Front. 70 Kilometer westlich von Bagdad. Sie sind die wichtigste Stütze der regulären irakischen Armee. Die große Offensive gegen den sogenannten Islamischen Staat in der Al-Anbar Provinz hat begonnen. Unterwegs Spuren heftiger Kämpfe. Die Terrorgruppe IS hat sich auf den Angriff vorbereitet und strategisch wichtige Brücken zerstört. Hürden, die zu überwinden sind. Aber noch immer verstecken sich IS-Kämpfer in den umliegenden Dörfern.

General Wasfi Abbas Hussein
General Wasfi Abbas Hussein | Bild: SWR

"Wir haben die Region um Zaqlawiya befreit und wir kontrollieren nun die Straße von Anbar nach Faludscha", erklärt Wasfi Abbas Hussein, Oberst der Irakischen Armee. "Und wir haben die Nachschublinie der IS-Terroristen zwischen Falludscha und Ramadi unterbrochen." Es sind nur noch wenige Kilometer bis zur Front. Die Armee bittet uns nun in einem gepanzerten Hummer umzusteigen. Das amerikanische Kriegsgerät ist von den vielen Kämpfen zerschlissen. Wie ein Sinnbild: auch das Verhältnis zu den US-Streitkräften und der internationalen Allianz hat schon bessere Tage erlebt. "Unsere eigenen Kampfjets kommen sofort, wenn wir sie anfordern. Die Luftunterstützung der internationalen Allianz dagegen ist nicht gut. Das Flugzeug der internationalen Allianz kommt vielleicht nach einem Tag."

Armee und Milizen gemeinsam

Diese Milizionäre stehen unter dem Befehl eines Generals der regulären irakischen Armee. In der Vergangenheit haben sich die Milizen selten integrieren wollen. Jetzt sind sie zumindest hier Teil eines militärischen Plans des irakischen Verteidigungsministeriums. "Von Ramadi bis Falludscha bis Mossul werden wir alles befreien" ist sich General Yahia Rasul sicher. "Und so Gott will, wird es keine Region im Irak geben, die von den Terroristen kontrolliert wird."

Soldaten schießen mit Mörser
Die irakische Armee hat eine Offensive in der Provinz Al-Anbar begonnen. | Bild: SWR

Die Gefechte an diesem Tag sind hart. Über Opfer werden wir nicht informiert. Insgesamt sind nach Angaben des irakischen Verteidigungsministeriums 20.000 Soldaten und 20.000 Milizionäre an der Front. Das scheint wenig, um das riesige IS-Territorium zu befreien und vor allem zu sichern. Anfang August 2014 hatte der Islamische Staat große Teile Syriens und des Irak erobert. Das Gebiet ist gelb markiert. Ein Jahr später sind manche Regionen umkämpft, einige wenige tatsächlich zurückerobert. Von einer Wende auf dem Schlachtfeld kann ein Jahr später nicht gesprochen werden. Aus Sicht des irakischen Verteidigungsministeriums gibt es dafür eine Erklärung. Zuwenig Einsatz und Koordination vor allem auf Seiten der US-Amerikaner und der Anti-IS-Allianz. "Wir wollen von den Amerikanern, von der internationalen Allianz mehr Luftangriffe, das s sie mehr Ziele bombardieren", meint General Yahia Rasul, Sprecher der Irakischen Armee. "Wir würden uns eine engere Zusammenarbeit wünschen, mehr Austausch von Informationen. Wir brauchen präzise Informationen über die Bewegungen des Feindes." Kritik von höchster Stelle. Das Verhältnis zwischen irakischem und amerikanischem Militär scheint bisweilen kompliziert. Schon mehrfach sind irakische Truppen vor dem Ansturm des IS geflohen. Der US-Verteidigungsminister hat vor kurzem den Irakern mangelnde Kampfmoral vorgeworfen. Die irakische Armee protestierte und demonstriert nun mit der neuen Offensive Siegeswillen. Mit schwerem Geschütz soll der Feind vertrieben werden.

Vorwürfe in Richtung  USA

Wir fahren zu einem anderen Abschnitt der Front bei Falludscha. In den letzten Tagen hat sie sich kaum verschoben. Egal wen wir nach den Gründen fragen, reflexartig kommt vor allem von Mitgliedern der schiitischen Milizen eine Antwort. "Wir glauben, dass die internationale Koalition eigentlich überhaupt keine Unterstützung für uns ist", sagt Wathak al-Majdi, von der Badr-Miliz. "Ganz ehrlich, die unterstützen die Armee nicht. Es fehlt an Munition. Die Amerikaner haben uns nicht richtig in die Technik eingewiesen, der Hauptgrund der Misere liegt also bei den Amerikanern. Deshalb solltet ihr Reporter erst einmal mit den Amerikanern sprechen bevor ihr uns Vorwürfe macht."

Bomben aus der Luft helfen der irakischen Armee. Aber am Ende können die Iraker den Krieg nur am Boden gewinnen. Das sagen sie selbst und glauben, die Chancen seien jetzt besser als noch vor einem Jahr. Sie schlössen sich immer mehr sunnitische Stämme dem Kampf gegen den IS an. Wie diese Miliz, die Salahedin-Brigade. Nur die Einheit von Sunniten und Schiiten sei der Schlüssel um den IS zu besiegen, der nicht weit von hier steht: Kaum 70 Kilometer westlich von der Hauptstadt Bagdad.

Stand: 08.07.2019 22:39 Uhr

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