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Irak: Mehr Krankheiten durch Klimawandel

Irak: Mehr Krankheiten durch Klimawandel | Bild: SWR

Die südirakische Provinz al-Diwaniyya glich vom Altertum bis in jüngster Vergangenheit einem Garten Eden. Das Klima war mild, Wasser gab es durch Euphrat und Tigris im Überfluss, der Boden war fruchtbar. Heute leiden die Menschen im Südirak unter immer größerer Hitze, unter Wassermangel und ausgemergelten Böden. Zudem nehmen klimabedingte Krankheiten dramatisch zu. Zum Beispiel Leishmaniose. Das ist eine nur schwer heilbare Erkrankung von Haut, Milz, Leber und Knochenmark. Die Krankheit wird durch Sandmücken übertragen, die sich durch größere Hitze und geringere Luftfeuchtigkeit rascher ausbreiten.

Das Land wurde zur Wüste

Ali Hussein auf dem Weg zum Brunnen. Den Klimawandel spüren er und seine Familie jeden Tag. "Kein Wasser, es kommt kein Wasser, der Brunnen ist trocken", sagt der Vater zu seinem Sohn. Sie leben in der Provinz Diwanea, rund 200 Kilometer südlich von Bagdad. Einst war das die fruchtbarste Gegend Iraks. Doch das Land leidet schon das vierte Jahr in Folge unter heftiger Dürre. Von den 60 Familien haben 40 ihre Häuser verlassen. Ali Husseins Familie gehört zu den Wenigen, die noch geblieben sind. "Noch vor vier Jahren haben wir das Land bestellt. Dann kam die Dürre. Das Land wurde zur Wüste. Wir mussten es aufgegeben."

Vertrocknete Palmen
Schon das vierte Jahr Dürre  | Bild: SWR

Keine Landwirtschaft – kein Einkommen. Die Zukunft der fünf Kinder – ungewiss. Das Grundwasser – versalzen. Der Irak hat immer weniger Süßwasser. Nicht nur auf dem Land, sondern auch in den Großstädten. Der Klimawandel ist schuld. Und die Wasserpolitik der Nachbarstaaten Iran und Türkei. Sie haben viele Staudämme gebaut und nutzen das Wasser im eigenen Land. Sie leiden darunter. Das salzige Wasser führt zu Verkrustungen der Haut. "Sie haben große Schmerzen", sagt Ali Hussein. "Manchmal bleibt ihre Kleidung an den Wunden hängen, was es noch schlimmer macht."

Krankheiten verursacht durch steigende Temperaturen

Die steigenden Temperaturen verursachen etliche Krankheiten. Zum Beispiel Leishmaniose, übertragen durch Sandmücken. "Das Insekt überträgt die Infektion, verursacht Fieber und das ist vielfach hier in der Region passiert." Ali Hussein und seine Töchter Nour und Zahrah haben Glück. Der irakische Halbmond ist in ihr Dorf gekommen. Nour muss sich ständig kratzen. Die kleine Zahrah kann vor Schmerzen kaum laufen. Sie wurde gestochen und hat Leishmaniose – eine heimtückische Krankheit. Sie befällt Haut, Leber, Milz und das Knochenmark. Haidar Hatem und sein Team sehen immer mehr solcher Fälle. Sie wollen aufklären. Ärztliche Hilfe ist teuer, das nächste Krankenhaus 50 Kilometer entfernt. Regelmäßig fährt der Irakische Rote Halbmond übers Land, besucht Dörfer.

Kind schaut sich Informationsblatt zum Thema Krankheiten an
Aufklärung beginnt schon bei den Kleinen

Hier sind die Menschen etwas besser dran. Die Dorfgemeinschaft hat einen Brunnen gegraben. Aber auch hier enthält das Grundwasser zu viel Salz und Schwefel. Doch diese Anlage hat ihr Leben verändert. Sie versorgt ihr Dorf und die angrenzenden Dörfer mit Trinkwasser. 2.000 Liter pro Stunde werden hier entsalzen und aufbereitet. Außerdem haben Hatem und sein Team über 60 Wassertanks in der Region verteilt. "Die Anlage ist die wichtigste Lebensader für die Menschen hier", erklärt Haidar Hatem. „Der Rote Halbmond und das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) arbeiten daran, eine Reihe von Anlagen zu errichten, um der Wasserknappheit und dem Austrocknen der Flüsse zu begegnen." Jede Woche prüfen sie den Salzgehalt, jede Woche müssen sie die Filter tauschen. Eine Alternative gibt es nicht. "Das Dorf braucht mehr als eine Anlage, denn viele umliegende Dörfer leiden unter dem Mangel an Trinkwasser und Wasser zum Spülen und zum Duschen."

Leben mit dem Klimawandel – Die Aufklärung beginnt schon bei den Kleinsten. Haidar Hatem und sein Team warnen vor Infektionskrankheiten, zeigen, wie man sich richtig die Hände wäscht. Was sie hier lernen, kann ihr Leben retten. "Bislang gab es keine Todesfälle, aber bei der Arbeit stellen wir fest, dass es aufgrund des Mangels an Trinkwasser, der Dürre und Wüstenbildung vermehrt Hautkrankheiten und Vergiftungen gibt."

WHO fordert Stärkung der Gesundheitssystem

Laut UN zählt der Irak zu den fünf am stärksten durch den Klimawandel gefährdeten Ländern der Welt. Gleichzeitig nimmt die Bevölkerung weiter zu. "Der Irak ist ein perfektes Beispiel dafür, dass wir unsere Gesundheitssysteme stärken müssen", so Dr. Maria Neira von der WHO, "um mit den verheerenden Folgen des Klimawandels auf unsere Gesundheit umzugehen. Die Gesundheitssysteme sind also schon jetzt überfordert. Und mit dem Klimawandel werden sie nun völlig zusammenbrechen. Wenn wir nicht wissen, wie wir sie besser aufstellen, zum Beispiel mit finanziellen Mitteln."

Mann kontrolliert Wassertank
Das Wasser reicht nicht für Menschen und Tiere | Bild: SWR

Zurück bei Ali Hussein – eigentlich möchte er mit seiner Familie hierbleiben.  Doch sie wissen nicht, wie lange sie es unter diesen Bedingungen noch aushalten. „Das Wasser, das du hier siehst, bekommen wir jede Woche mit dem Auto vorbeigebracht. Jede Woche 1.000 Liter. Für uns und unsere Tiere. Das ist nicht genug.“ Ali Husseins Familie könnte bald zu Klimaflüchtlingen im eigenen Land werden. Rund eineinhalb Millionen Menschen sind im Irak bereits betroffen. Es drohen immer mehr zu werden.

Autorin: Vera Rudolph, ARD-Studio Kairo

Stand: 04.12.2023 11:00 Uhr

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