Mo., 07.09.15 | 04:50 Uhr
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Iran: Kampf gegen Dürre – die Bauern und die Vizepräsidentin
Jeden Tag muss Ali Raisi um dieselbe Uhrzeit auf seinen Acker. Denn genau um 10 Uhr beginnt seine Bewässerungszeit. Nur vier Stunden pro Tag bekommt er Wasser, für all sein Land. Ein Netz von traditionellen Kanälen durchzieht seine Felder. Einst war der Iran das wasserreichste Land in der Region. Inzwischen muss das wertvolle Nass rationiert werden.
"Wenn es kein Wasser mehr gibt, dann haben wir überhaupt nichts mehr. Dann können wir nicht überleben. Zwei Stunden lang bekomme ich Wasser für dieses Feld. Bis es durch den Kanal hierher geflossen ist, dauert es allein schon eine Stunde", erklärt Ali Raisi.
Landwirtschaft einzige Lebensgrundlage
Die Menschen in der Provinz Jahar Mahal Bakhtiyari, im Südwesten des Iran, leben von der Landwirtschaft. Es gibt keine Industrie, nur die Arbeit auf dem Feld. Sie sind Bauern, Hirten, Nomaden. Sie brauchen die Erträge aus der Natur, um zu überleben. Doch seit zwölf Jahren leidet das Land unter einer bedrohlichen Dürre. Die letzten drei Jahre waren besonders schlimm. Ein Drittel weniger Wasser haben die Menschen in dieser Region heute. Eine Ursache: ein verschwenderisches System der Wasserverteilung.
"Kampf"ums Wasser
Es ist mühsam für Ali Raisi. Täglich muss er unter Zeitdruck drei Felder bewässern. Das nächste liegt fünf Kilometer weit entfernt. Viel Wasser versickert unterwegs. Die Strecke ist für Bauer Ali zu weit zum Laufen. Also fährt er am Kanal entlang. Da sieht er plötzlich, wie an einer Stelle Wasser für ein anderes Feld abgezweigt wird. Einer seiner Nachbarn versucht wohl mal wieder zu tricksen und ihm das rationierte Wasser zu stehlen. Da hilft nur beherztes Eingreifen: "Sie haben einfach das Wasser in Richtung ihrer Tiere geleitet, damit die trinken können. Wenn ihre Besitzer jetzt hier wären, oh mein Gott, wir würden mit unseren Spaten übereinander herfallen."
Ali Raisi weiß, moderne Bewässerung sieht anders aus. 90 Prozent des Wasserverbrauchs geht auf das Konto der hier noch sehr archaischen Landwirtschaft. Die Regierung hat die einfachen Bauern bisher sich selbst überlassen. Doch jetzt reisen sie eigens aus dem fernen Teheran an. Die Leiterin der iranischen Umweltbehörde, Masoomeh Ebtekar, mit großer Entourage. Sie will sich selbst einen Eindruck von der Dürre verschaffen.
Auswirkungen der Sanktionspolitik
Die Frau, die zugleich Vizepräsidentin des Landes ist, will etwas verändern. Und dafür nutzt sie auch Twitter und Facebook, im Iran eigentlich verboten. Aber die eigenwillige Politikerin möchte auf allen Kanälen die Missstände des Landes anprangern. Mitschuld aus ihrer Sicht – die jahrelange westliche Sanktionspolitik: "Obwohl die Wirtschaftssanktionen den Bereich Umweltschutz nicht hätten treffen dürfen, haben sie das leider trotzdem getan, zum Beispiel Technik für die Landwirtschaft. Geräte, die zur Bewässerung auf den Feldern verwendet werden. So aber sind wir auf vielen Gebieten in Verzug. Wir mussten einen hohen Preis bezahlen."
Durch Wassertunnel wird die so wichtige Ressource auf die umliegenden Provinzen verteilt, gespeist vom Kuhrang Fluss, einer der Hauptwasserquellen des Iran. Noch fließt das Wasser, aber es ist sehr viel weniger geworden. Regen und Schnee bleiben immer häufiger aus. Die Vizepräsidentin weiß, es muss sich schnell etwas ändern. Zunächst will sie den Wasserverbrauch in dieser Region reduzieren: "Wir wollen natürlich, dass unsere Bauern erfolgreich sind und ihre Ernte vermehren, aber nicht zu dem Preis, dass so viel Wasser verschwendet wird. Deshalb müssen wir uns um neue Bewässerungstechniken kümmern, und wir müssen die Bauern schulen. Außerdem hoffen wir jetzt auf internationale Zusammenarbeit."
Vielen Provinzen droht totale Austrocknung
Ali Raisi hat die Vizepräsidentin nicht getroffen, aber ihre Haltung ärgert ihn. "Ach ja? Wir verbrauchen zu viel Wasser? Dann soll uns Frau Ebtekar doch eine Methode beibringen, die besser funktioniert, und einen Plan entwickeln. Dann sollen die uns doch helfen, wenn wir falsch bewässern, aber wirklich." Auf seinen Feldern baut Ali Raisi Trauben an. Die Bauern wissen, dass die sehr viel Wasser brauchen, aber hier sind schon immer Trauben gewachsen.
12 von 31 iranischen Provinzen drohen in einigen Jahren die totale Austrocknung. Sollte die Regierung nicht jetzt sofort handeln.
Autorin: Natalie Amiri, ARD-Studio Teheran
Stand: 09.07.2019 07:44 Uhr
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