So., 18.02.18 | 19:20 Uhr
Das Erste
Iran: Protest gegen die Regierenden
Wir sind irgendwo im Iran. Den Standort können wir nicht nennen, denn Hamed Souri ist hier untergetaucht. Er produzierte Büromöbel. Weil er seine Firmenkosten nicht mehr bezahlen konnte, packte er seine Maschinen zusammen und versteckte sie in diesem Lager. Sein Problem: sein bester Auftraggeber, der Staat, zahlt ihm die Rechnungen nicht. Auch die Staatskassen seien leer. Gleichwohl würden aber neue hohe Steuern gefordert, erzählt er mir: "Als Kind hatten wir ein Computerspiel: Pepsi Man – da musste man nach vorne laufen und eine Straßenwalze war hinter einem her. Der Pepsi Man musste immer Pepsi trinken, um schneller laufen zu können, um nicht von der Walze überfahren zu werden. Unser Leben ist jetzt genauso."
Souris Vorwurf: Wenn Du als Unternehmer nicht die richtigen Personen im System kennst, hast Du im Iran keine Chance, auch wenn Du Arbeitsplätze schaffst. Er musste alle seine Angestellten entlassen: "Es kümmert keinen, warum 54 Personen arbeitslos werden. Es bedeutet, dass 150 Personen kein Einkommen mehr haben – und das in einer Provinz, in der es so viele Arbeitslose gibt."
Landflucht vor der Armut
Viele sind aus den Provinzen in die Hauptstadt Teheran geflohen, erhoffen sich hier einen Arbeitsplatz, irgendeine Einkommensmöglichkeit. Die wirtschaftliche Situation im Iran verschlechtert sich täglich: Die Anzahl der Menschen, die unter der Armutsgrenze leben wächst rapide. Die Antwort der Islamischen Republik: "Die Zukunft ist Hoffnung." Nur Hoffnung haben selbst viele unter denjenigen nicht mehr, die am vergangenen Sonntag zum Feiern kamen, viele per staatlich organisierter Busfahrten direkt vom Arbeitsplatz. 39 Jahre Islamische Republik: Es soll die Anmutung eines Volksfestes haben; man will sich modern zeigen, offen für Kritik sogar: hier darf jeder seine Meinung aufschreiben und in eine personalisierte Politiker-Box werfen.
Besonders Präsident Rohani bekommt sein Fett weg, wie dieser Mann uns sagt: "Ich will von dieser Regierung wissen, warum sie nicht damit aufhört, sich immer Richtung Westen hin zu wenden. Wir brauchen keinen Atomdeal oder irgendwas Ähnliches. Und von der Justiz möchte ich wissen, warum die Prozesse um Korruptionen nicht bearbeitet werden und es keine Berichte darüber gibt. Warum zahlen sie das Geld nicht an die Menschen zurück?"
Geld gibt es: Die Öl- und Gaseinnahmen haben seit Aufhebung der meisten Sanktionen dafür gesorgt, dass das Wirtschaftswachstum auf 5,6 Prozent gestiegen ist – nur gespürt hat es niemand.
Hoffnungslosigkeit bei Hamed Souri
Hamed Souris Freund Rasul resigniert: "Die Wahrheit ist, dass das Geld gar nicht für die Menschen hier ausgegeben wird. Wir haben keine Hoffnung mehr für dieses Land." Und Hamed Souri pflichtet ihm bei: "Die Probleme hier haben ganz tiefe Wurzeln. Wir reden nicht von ein paar Tagen zuvor oder ein paar Jahren. Es handelt sich um ein altes Problem: Die Menschen wollen wirklich Veränderungen spüren. Wenn sich nichts ändert, wie kann man dann nach so viel Unzufriedenheit zufrieden sein? Soll ich zufrieden sein, dass ich keine Arbeit habe, dass ich so eine große Firma mit so viel Angestellten nicht mehr habe? Wie soll ich denn zufrieden sein?" Ein gestandener, stolzer Mann, der so verzweifelt ist, dass er vor mir Emotionen zeigt.
Die Frauen und das Kopftuch
Die Islamische Republik hat ein zusätzliches Problem neben den wirtschaftlich Unzufriedenen: Frauen die ihr Kopftuch abnehmen – eine neue Protestaktion, hinter der viele stehen und wenige alles riskieren, denn wenn sie geschnappt werden, kommen sie ins Gefängnis: die Antwort der Islamischen Republik auf den Wunsch nach Freiheit. Die Antwort des bekannten Reformers und Abgeordneten Mostafa Kavekebian, den wir auf dem Nationalfeiertag sehen und darauf ansprechen ist folgende: "Das sind drei, vier Frauen von 50 Millionen Frauen. Damit kann man doch nicht sagen, dass 50 Millionen so etwas wollen. Ich denke, sie tun das Falsche." Die Antwort eines Reformers!
Rohanis Zeit läuft ab
Wir treffen einen, der damals, 1979, bei der Besetzung der amerikanischen Botschaft mitwirkte. Inzwischen sieht Ebrahim Asgharzadeh die Revolution kritisch: „Es muss ein Mechanismus geschaffen werden, der die inzwischen verschiedenen Denkweisen im gegenseitigen Respekt zulässt. Rohani hat sehr wenig Zeit und wenn er sich nicht beeilt, ist es möglich, dass ein neuer Ahmadinedschad durch Versprechungen für die Massen Präsident wird. Rohani hat nicht mehr viel Zeit.“
Der alte Mann sagt uns, das System sollte die Alarmglocken hören. Dann wird uns von Sicherheitskräften gesagt, wir sollen aufhören zu drehen.
Autorin: Natalie Amiri, ARD Teheran
Stand: 01.03.2018 21:59 Uhr
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