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Israel: Nicht alle sind für Krieg

Israel: Nicht alle sind für Krieg | Bild: SWR

Die Zustimmung für den Krieg in Gaza ist in Israel groß. Doch ein kleiner, wachsender Teil der Bevölkerung stellt ihn in Frage. Stellt in Frage, ob Krieg zu Frieden führen kann. Die Organisation "Standing together" zum Beispiel. Ihre Mitglieder sind jüdische und arabische Israelis. Und die gehen jetzt seit einigen Wochen jeden Donnerstag auf die Straße. Gegen den Krieg und für Koexistenz. Dafür werden sie auch immer wieder angefeindet und als Landesverräter beschimpft.

Verräter und Feinde

Noch eine Stunde. Dann geht es los. "Wir sind gerade am Organisieren. Es ist etwas chaotisch", sagt die jüdische Aktivistin Nili. In einer Stunde startet in Tel Aviv der erste Protest Marsch gegen den Krieg in Gaza. Nili und die anderen Aktivisten hier sind nervös. Aus zwei Gründen. Erstens hoffen sie, dass genügend Leute kommen werden und zweitens haben sie Sorge vor Gewalt.

Mitglieder der Organisation Standing Together im Büro
Letzte Vorbereitungen vor der Demo  | Bild: SWR

Nili bereitet noch die letzten Banner vor. Die Organisation "Standing Together" (Zusammenstehen) will Koexistenz zwischen Palästinensern und Israelis fördern und setzt sich für einen Friedensprozess ein. Oft werden Menschen wie Nili aber in Israel als Verräter gesehen. Und palästinensische Israelis als Feinde. Nili hat dafür aber Verständnis. "Du weißt nicht, wer ein Familienmitglied verloren hat, wessen Sohn gerade in Gaza kämpft. Ich glaube Leute trauern und haben gleichzeitig Angst. Aber es ist schwer. Es ist eine schwere Zeit, um für eine andere politische Richtung zu kämpfen." Noch 10 Minuten, dann brechen Nili und die anderen hier auf.

Israelische Palästinenser kämpfen mit ihrer Identität

Bashir will auch zur Demo. Muss aber vorher noch was für sein Studium fertig machen. Er ist Jurastudent. Und israelischer Palästinenser. Seine beduinische Familie hat also vor der Staatsgründung Israels im damaligen Palästina gelebt. Sie wurden mit der Gründung israelische Staatsbürger, haben aber ihre Identität als Palästinenser nicht verloren. Für Bashir ist es aktuell nicht leicht, sich auf das Studium zu konzentrieren. Vier seiner Familienmitglieder wurden am 7. Oktober gekidnappt. "Es ist alles absurd. Sie haben ihnen den Koran gegeben, weil sie Muslime sind. Aber sie haben sie gekidnappt. Und sie haben meinem Onkel seine Diabetes-Medikamente nicht gegeben."

Mann sitzt auf Couch
Bashir ist israelischer Palästinenser | Bild: SWR

Bashir packt zusammen. Will gleich los. Er und viele andere israelische Palästinenser kämpfen mit ihrer Identität. Mit ihrer Rolle in der israelischen Gesellschaft. Sie werden oft diskriminiert und der 7. Oktober hat alles nicht leichter gemacht. "Ich habe mich mehr mit dem israelischen Trauma und Schmerz verbunden gefühlt. Es hätte ich sein können. Aber ich bin auch Palästinenser. Als ich gesehen habe, wie die israelische Armee angefangen hat Gaza zu bombardieren, angefangen hat, das zu tun, was sie in Gaza gerade tun, habe ich auch Schmerz empfunden".

In Zentral Tel Aviv versammeln sich schon die ersten Menschen für die Demo. Nili ist weiter angespannt. Einige Autofahrer beschimpfen die Demonstranten. Rufen Schimpfwörter. Dieser Soldat ist zufällig hier. Kämpft eigentlich aktuell im Norden von Israel. "Es stört mich, dass ich für sie kämpfe, damit sie hier in Frieden leben können und keine Raketen nach Tel Aviv kommen. Und sie gegen genau das demonstrieren. Sie wollen Frieden mit Leuten, die uns umbringen wollen. Also ist es das Beste, was ich machen kann sie zu unterstützen und ihnen zu sagen, dass ich sie liebe. Weil sie Frieden wollen, weißt du? Aber ich glaube, dass sie ein bisschen durchgedreht sind."

Gegenseitiges Verständnis und Mitgefühl

Der Protestmarsch setzt sich in Bewegung. Es werden immer mehr Menschen. Auch Bashir kommt gerade an. Der Marsch erreicht dann ohne größere Vorfälle die Rednerbühne. "Es gibt mir Hoffnung", sagt Bashir. "Wirklich. Hier sind Araber und Juden. Die einfach nur etwas Anderes wollen. Nicht mehr vom selben. Nicht mehr Kriege. Menschen die getötet werden." Dann sagt der Redner auf der Bühne, dass die Polizei 2.000 Demonstranten gezählt hat. Der größte Friedensprotest seit dem 7. Oktober. "Nur Frieden wird Sicherheit bringen."

Schild mit Friedenstaube auf Demo
Demo für einen Friedensprozess  | Bild: SWR


Am nächsten Morgen. Ist bei Nili die Euphorie vom Vorabend ist etwas verflogen. "Manchmal ist es etwas entmutigend. Es fühlt sich nach einer so kleinen, kleinen Anzahl an Leuten an. In so einer Masse von Leuten, die anders denken und Dinge anders sehen. Ich habe Freunde die Soldaten sind, ich habe Freunde, die Reservisten sind, die sogar gestern da waren. Ich weiß, dass es einfach eine sehr komplizierte Realität ist. "Für Nili und Bashir, ist die einzige Hoffnung für dieses Land Annäherung. Gegenseitiges Verständnis und Mitgefühl. Aber aktuell sind sie damit eine sehr kleine Minderheit in Israel.

Autorin: Hanna Resch, ARD-Studio Tel Aviv

Stand: 22.01.2024 11:16 Uhr

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