So., 05.05.24 | 18:30 Uhr
Das Erste
Italien / Albanien: Flüchtlingslager im Ausland
Am Stadtrand von Mailand: Hinter dieser Mauer warten etwa 50 abgelehnte Asylsuchende auf ihre Abschiebung. Teresa Florio ist Juristin und engagiert sich ehrenamtlich für die Rechte von Abschiebehäftlingen. Sie versucht einen Insassen zu kontaktieren, der einen Selbstmordversuch unternommen haben soll.
Zugang zu italienischen Abschiebeeinrichtungen gibt es kaum - für Journalisten und Menschenrechtler: Auch der Kontakt zu Anwälten ist für die Insassen meistens nur per Telefon und nur wenige Minuten lang möglich. Sie berichten von Essen, das mit Maden versetzt ist, von Gewaltexzessen, Grundrechte wie das Recht auf Gesundheit oder die persönliche Freiheit werden missachtet, sagt Teresa Florio.
Abschieben – aus Albanien
Das Abschiebelager am Rand von Mailand grenzt direkt an eine Erstaufnahmeeinrichtung: Aufnahme und Abschiebung, Tür an Tür. Eine Einrichtung dieser Art entsteht nun außer Landes, in Albanien, außerhalb der EU. Das heißt: Wenn die italienische Küstenwache Flüchtlinge in internationalen Gewässern aufgreift, werden sie bereits auf dem Schiff in Gruppen eingeteilt: Diejenigen mit einer geringen Bleibeperspektive kommen nach Albanien. Vulnerable Menschen, wie beispielsweise Frauen und Kinder oder Kranke sollen weiterhin in Italien an Land gehen.
Giorgia Meloni hatte ihren Wählern versprochen, die Ankünfte in Italien zu reduzieren. Das soll der Deal mit Albanien nun bringen. Die Kosten: laut Medienberichten etwa 650 Millionen Euro in den nächsten fünf Jahren.
Die Albaner haben selbst eine Fluchtgeschichte, sind aufgeschlossen gegenüber Migranten. Doch wie soll das neue Flüchtlingslager genau aussehen? Wir machen uns auf die Suche. Ein ehemaliges Militärgelände soll für das neue Großprojekt umgebaut werden, hören wir. 3000 Geflüchtete sollen dann hergebracht werden und auf ihren Asylbescheid warten. Wir finden die Hauptzufahrt, kommen aber nicht weiter, Filmen verboten. Auf der anderen Seite des Geländes sehen wir die Baumaschinen. Hier soll also das italienische Aufnahme- und Abschiebezentrum entstehen – mit italienischen Beamten, italienischer Polizei.
Wer kontrolliert also fernab von Italien, ob die Rechte der Flüchtlinge im exterritorialen Abschiebelager gewahrt werden? Wir haben seit Februar versucht, von der italienischen Regierung eine Antwort auf diese Frage zu bekommen: kein Interview zu dem Thema, keine schriftliche Auskunft. Teresa Florio und auch uns bleibt der Zugang zu Abschiebeeinrichtungen verwehrt.
Die EU hat gegen das italienische Lager in Albanien keinen Einspruch erhoben.
Autoren: Rüdiger Kronthaler, ARD Rom / Anna Tillack, ARD Wien
Stand: 05.05.2024 19:41 Uhr
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