So., 20.12.20 | 19:20 Uhr
Das Erste
Italien/China/USA: Jahresende 2020
Italien: Dolce Vita statt Angst vor Corona
Wie schön kann das Leben sein, wenn wir wenigstens für einen Moment Angst und Sorgen vergessen können. Dolce vita … kurz vor Weihnachten in Italien. Nach Monaten mit hartem Lockdown, wo selbst der Strandspaziergang verboten war, sehnen wir alle uns so sehr nach Freiheit, draußen sein plus Verwöhnprogramm von Restaurant Chef Fabio Quartieri: Leider sind wir das Land in Europa, das die meisten Toten zu beklagen hat. Wenn uns der Herrgott solch wunderschöne Tage schenkt, nutzen viele die Chance, mit der Familie einen unbeschwerten Tag am Meer zu verbringen. In Italien dreht sich immer alles nur ums Essen – da ist viel dran. Nicht nur in der Weihnachtszeit. Es gibt schlimmeres. Und wer dafür auch noch einen Platz an der Sonne ergattert hat, weiß das im "bel paese" sehr wohl zu schätzen. "Die kleinsten Dinge werden super wichtig" meint Elisa. "Was für dich vorher normal war – wie ein Tag am Meer – wird zum Höhepunkt des Monats oder des Quartals."
Denn klar ist am Ende des Pandemie Jahres auch: von Südtirol bis Sizilien gibt es viele Menschen, die sich einen solchen Ausflug ans Meer nicht mehr leisten können. "Wenn Du einen Job hast, wie ich, der dir Freude macht und du damit unbeschwert leben kannst, dann ist das das Wichtigste im Leben", sagt Chiara. "Ich hoffe, dass 2021 alle, die in Europa ihren Job bis dato verloren haben, wieder Arbeit finden. In Italien sind die Menschen nachdenklich geworden. Fast 70.000 Tote, allein wegen Covid19. Weihnachten wird ganz anders ablaufen, für viele in Einsamkeit. Für andere mit Existenzangst und Geldsorgen. Diese Pandemie hat uns alle hier verändert.
China: Außen Glitzer, innen Repression
Made in China ist es sowieso. Nun finden auch immer mehr Chinesen Gefallen an dem weihnachtlichen Nippes. Die Deko – vor allem eine Gelegenheit für schöne Fotos. Hautsache alles glitzert. Solche Weihnachtsmärkte sind inzwischen typisch in den chinesischen Großstädten. Christlich ist hier nichts. Weihnachten ist einfach eine gute Gelegenheit zum Shoppen. Gefeiert wird an Heiligabend auch – nur eben anders. "Feiern Sie Weihnachten? "Manchmal", antwortet ein Mann. Wie feiern Sie? "Ich bringe mein Kind in die Shopping Mall zum Feiern", sagt ein anderer. Ein Kind sagt: "Ich feiere!" Und wie feierst du? "Ich spiele mit meinen Freunden" Wie feiern Sie? "Wir schauen Filme und so", sagt eine Frau.
Hier laufen gerade noch die Vorbereitungen für Weihnachten. In der Karaoke-Bar in Peking erwarten die Kunden besondere Deko. "An Heiligabend kommen sehr, sehr viele Kunden, um hier zu feiern" erzählt Liu Shuchen. Ihnen macht die Partei das Feiern schwer. Etwa 60 Millionen Christen leben in China. Für sie ist alles strengstens reglementiert. In den offiziellen Kirchen wird Sozialismus und Patriotismus gepredigt. Die Kreuze hier werden oft wird oftmals durch Poster von Staatsführer Xi Jinping ersetzt. Die Unterdrückung des Christentums hat hier in China dieses Jahr einen neuen Höhepunkt erreicht. Christlich-religiös darf die Weihnachts-Schmuck nirgends sein. Selbst Deko-Rehe und Hirsche sind dieses Jahr schon auf der inoffiziellen schwarzen Liste. Diese Weihnachten spiegeln wider was insgesamt im letzten Jahr hier passiert ist. Nach hartem Corona-Lockdown gibt es jetzt wieder tolle Wirtschaftszahlen – nach außen viel Glitzer. Nach innen aber, im Land, wird für jeden der eine von der Partei abweichende Meinung hat und auch für uns ausländische Journalisten, die Lage immer bedrohlicher.
USA: ein gespaltenes Land hält inne
Das Weiße Haus verbarrikadiert, kein ungestörter Blick mehr für Andenkenfotos. Mit Donald Trump hat sich in Washington vieles verändert. Aber Weihnachten ohne diese Bäume mit dem selbstgebastelten Schmuck von Schülern, das geht nicht. Normalerweise ist das hier der große Besuchermagnet der Hauptstadt. Der nationale Weihnachtsbaum. Umgeben von mehr als 50 kleinen Bäumen, für jeden Bundesstaat und jedes Überseegebiet ein kleiner Baum. Aber seit Corona ist das alles anders. Es kommen kaum Menschen hierher, es gibt keine öffentlichen Konzerte und auch die Spielzeugeisenbahn für die Kinder fehlt. Sie nennen das hier den Weg des Friedens. Charles Lowe erzählt, in seiner Kindheit sei das ein magischer Ort gewesen. Aber jetzt überlagert die Pandemie alles. "Es wird nie mehr das Gleiche sein" sagt Charles Lowe. "Wenn das mit Corona vorbei ist, dann werden die Dinge, die sich zum Guten verändert haben, all das aufwiegen, was nicht so toll war und was noch nachklingen wird. Wir haben viel über uns gelernt.“
Auch auf der anderen Seite des Weißen Hauses gibt es Erinnerungen. An den Konflikt zwischen Schwarz und Weiß. In der Ferne zu erahnen: die Tribüne für die Amtseinführung von Trumps Nachfolger Joe Biden. Dieser Platz hier, die Black Lives Matter Plaza, war sehr entscheidend in diesem Jahr. Hier wurde gegen Polizeigewalt demonstriert. Hier kam es zu Ausschreitungen, hier wurde vielen in den USA bewusst, wie aktuell das Thema Rassismus immer noch ist. Für Student Ian ist dies ein Ort für die Geschichtsbücher. „Ich hab meine Kamera dabei, um die Fotos später meinen Kindern zu zeigen, und ihnen zu erzählen, wie viel das hier bewirkt hat.“ So friedlich wie dieser Moment war die Stimmung im politischen Washington selten. Ein gespaltenes Land hält inne.
Autorinnen: Tamara Anthony, Ellen Trapp, Claudia Buckenmaier
Stand: 21.12.2020 09:14 Uhr
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