So., 18.10.20 | 19:20 Uhr
Das Erste
Italien/Großbritannien: Zwei Länder, zwei Wege, ein Virus
Eigentlich sind wir mit Tommaso und Enrica zu Hause verabredet – aber dann ruft Tommaso an, weil er Kontakt zu einer Person hatte, die möglicherweise Corona positiv ist. Er will uns zur Sicherheit lieber draußen treffen. "Die Zahl der Neuinfektionen steigt, ebenso die der Intensivpatienten und Toten. Also im Allgemeinen ist die Situation ziemlich schlimm", erzählt der Familienvater, Tommaso Russo.
Sorge wegen stark steigender Zahl Corona-Infizierter
Die junge Familie lebt in Mailand, in der Lombardei. Im Frühjahr Epizentrum der Pandemie in Italien. Und auch jetzt ist die Region im Norden wieder stark betroffen. Im ganzen Land werden die ersten Gemeinden abgeriegelt. Tommaso hat Angst, dass sie die Kinder bald wieder zu Hause "einsperren“ müssen, wie damals: "Ich hoffe, Schulen und Kitas bleiben geöffnet. Ein Opfer dafür sollten all jene bringen, die zu Hause arbeiten können, sie sollen es tun, damit Schulen offenbleiben. Denn nach 6 oder 7 Monaten haben sich die Kinder nach ihren Freunden gesehnt."
Die Bilder aus Bergamo gingen um die Welt: Intensivstationen überfüllt, Personal am Rande seiner Kräfte, Militärfahrzeuge brachten Särge in umliegende Städte, weil die Krematorien es alleine nicht mehr schafften. Tausende Tote, denen niemand das letzte Geleit geben durfte.
Strenge Maßnahmen gegen das Virus
Nach einem harten Lockdown im Sommer, Corona Entspannung. Deshalb auch jetzt die Strategie schnell und hart: viel testen, private Kontakte einschränken. Feiern nur mit sechs Gästen, Maskenpflicht überall im Freien, in Mailand bereits Sperrstunde und die folgt wohl auch im Rest des Landes. Alles völlig richtig, findet Enrica: "Wenn es hilft, einzelne Bereiche zu schließen, um die Pandemie einzudämmen, dann sehe ich das als den einzig gangbaren Weg, ich sehe keine Alternative." Enrica und Tommaso machen sich große Sorgen. Vor allem um ihre Kinder und auch um ihr Land. Bloß kein zweites Corona-Drama für Italien. Dafür wollen sie ihren Beitrag leisten.
Autorin: Ellen Trapp/ARD Studio Rom
Englands Krankenhäuser verzeichnen mehr Corona-Patienten
Der Stress ist zurück. Letzte Woche hatten sie einen Covid-19-Patienten auf der Intensiv-Station. Nun versorgt Shirley Pritchard neun. "Es kommen die Gefühle wieder hoch. Die erste Corona-Welle war enorm stressig. Jetzt kommt die Zweite. Wir haben hier alle ein wenig Angst", erzählt die Intensivpflegerin des Whiston Hospital.
Besonders in Liverpool steigt seit Wochen die Zahl der Infizierten stark an. Die Krankenstationen füllen sich wieder mit Erkrankten. Die Stationsleitung fährt den Notfall-Betrieb in der Whiston Klinik wieder hoch. "Wir haben jetzt 19 mit Symptomen, 13 davon frisch eingeliefert", sagt Stations-Managerin, Nadine McStein.
In Liverpool sind Treffen seit Anfang des Monats eigentlich verboten. Nach längerem Zögern müssen nun auch die Pubs und Restaurants wieder schließen. Boris Johnson hat lange gewartet. Und bekommt wieder die Frage, ob er die Kontrolle über die Pandemie verloren habe, denn in ganz Großbritannien steigen die Zahlen rasant an. Täglich sind es fast 20.000.
"Wir verfolgen seit Juni einen ausbalancierten Ansatz. Die Pandemie bekämpfen und gleichzeitig die Wirtschaft und Schulen am Laufen halten", so Boris Johnson.
Johnson steht wegen schwacher Maßnahmen in Kritik
Johnson handelt zum Verdruss seiner medizinischen Berater. Schon im September drängten sie ihn zu einem kurzen nationalen Lockdown. Ohne Erfolg. Auch jetzt will er nur lokale Einschränkungen. Schulen und Geschäfte bleiben offen. Streit sogar vor laufenden Kameras. "Ich bin überhaupt nicht zuversichtlich. Auch die schärfsten Maßnahmen reichen nicht. Die Idee, wir bekommen es ohne härtere Einschnitte in den Griff, ist eine Illusion", sagt der medizinische Berater der britischen Regierung, Chris Whitty.
Vor allem den Norden hat Corona wieder fest im Griff. Wie den Raum Manchester. "Wir treffen uns trotzdem, was ist das Problem?", sagt ein Anwohner. Nun werden in vielen Orten Pubs geschlossen. Restaurants aber nicht. Treffen sind nur noch draußen erlaubt. Wieder Einschränkungen, aber weniger konsequent, als es die Mediziner empfehlen.
Autor: Sven Lohmann/ARD Studio London
Stand: 18.10.2020 21:19 Uhr
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