So., 09.05.21 | 19:20 Uhr
Das Erste
Italien: König der Einsamkeit
Die Insel Budelli, umgeben von türkisfarbenem Wasser – der Sand rosafarben von Korallen. Mauro Morandi wollte mit seinem Katamaran eigentlich nach Polynesien, aber er kam nur bis hierher, in das Archipel La Maddalena. "Schon als ich die Insel von Weitem gesehen habe, habe ich mich verliebt. Da möchte ich leben, habe ich mir gedacht. Das ist meine Insel!", erzählt er.
Ein Leben im Einklang mit der Insel
Er zog in diesen Unterstand aus dem zweiten Weltkrieg, ließ sein früheres Leben als Lehrer hinter sich, wurde Selbstversorger: "Hier, schaut Euch das an. Das ist meine Photovoltaik-Anlage. Hier sind die Wassertanks, von denen aus die Rohre für die Wasseranschlüsse im Haus abgehen."
Seit über 30 Jahren lebt er hier allein. "Mir geht’s gut hier. Ich rede viel mit mir selbst. Das tut mir gut", sagt Mauro. Manchmal kommt Besuch. Sein Freund Paolo, der Skipper, schaut regelmäßig vorbei und bringt, was auf der Insel nicht ausreichend vorhanden ist: Wasser und einige Lebensmittel: "Zigaretten habe ich dir nicht mitgebracht. Du musst damit aufhören!" "Ja, mein Freund", antwortet der Einsiedler.
Mauro sorgt sich mehr um die Natur als um sich. Er will ihre Schönheit unbedingt bewahren und alles entfernen, was ihr schaden könnte – das ist seine Mission. Er ist der Inselwächter: "Ich bilde eine Einheit mit diesem wunderbaren Panorama. Wie schön!"
Hat Mauro eine Zukunft auf der Insel?
Plötzlich aber soll alles vorbei sein. Seit die Insel 2016 von Privatbesitz an die Nationalparkbehörde ging, gibt es Streit. Der Eremit stört im Naturschutzgebiet. Jahrelang versuchte die Behörde, ihn zu vertreiben, jetzt geht Mauro. Es sind die letzten Tage auf der Insel. Grund: Sanierungsarbeiten. Die Dächer sind asbestverseucht und die Anlage soll renoviert werden.
"Ich habe ein kleines Apartment am Stadtrand von La Maddalena gefunden. Davor ist Gott sei Dank das Meer, so dass ich das vom Fenster aus noch genießen kann. Ich gehe nur zum Einkaufen in die Stadt, aber nicht oft. Ich bin ja eher ein Eigenbrötler und werde auch dort ein Einzelgänger sein", erzählt Mauro.
Der Konflikt zwischen ihm und der Nationalparkbehörde von La Maddalena schwelt schon seit Jahren. "Die Insel gehört allen. Und daher kann Herr Morandi sich nicht mehr zum Wächter über ein Allgemeingut erklären. Für den Nationalpark ist es sehr schwierig, die Rolle des Herrn Morandi dort anzuerkennen", sagt der Präsident der Nationalparkbehörde La Maddalena, Fabrizio Fonnesu.
Mauro selbst hat ja auch schon darüber nachgedacht, die Insel zu verlassen. Es wird alles immer beschwerlicher. Der Streit mit den Behörden hat ihn zusätzlich zermürbt. Zeit für den Aufbruch. Paulo holt seinen Freund ab: "Nach mehr als 30 Jahren, die er hier gelebt hat, ist jetzt der Moment des Abschieds gekommen. Er hat es selbst oft gesagt: Alle schönen Dinge haben einen Anfang und ein Ende. Jetzt ist der traurige Tag gekommen. Du musst jetzt zum ersten Mal Maske tragen." "Na, ich hab keinen Virus, außer du hast es jetzt mitgebracht", entgegnet Mauro.
Wie nimmt man Abschied von einer Insel? Habseligkeiten hat er ja kaum. Die Behörden haben Mauro angeboten, nach der Sanierung zurückzukehren. Darauf hofft er.
Autorin: Anja Miller/ARD Studio Rom
Stand: 09.05.2021 20:32 Uhr
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