So., 07.11.21 | 19:20 Uhr
Das Erste
Italien: Mit Minischulen gegen die Abwanderung
Seit der Antike von Sagen umrankt. Knapp 1000 Meter ragt sie aus dem Meer, die Insel Stromboli vor Sizilien. Ein aktiver Vulkan, das Meer ringsum kristallklar, das alte Dörfchen verschlafen. Und die Gäste: begeistert.
Die nächste Stadt ist vier Stunden per Schiff entfernt. Mehr „ländlicher Raum“ geht in Italien kaum, heißt aber auch: Im Winter, wenn die Touristen weg sind, wird es auf Stromboli sehr, sehr still.
Inselschule
Ginevra ist auf dem Weg zur Schule: Sie geht in die zweite Klasse. Ihre Mama ging auch schon in die einzige Dorfschule hier. Die Mini-Schule ist Strombolis Lebensversicherung. Die Schule wirkt ganz normal, nur etwas kleiner. Stromboli hatte vor 100 Jahren noch knapp 3000 Einwohner, heute sind es 500. Immerhin 40 Kinder lernen derzeit in altersgemischten Klassen von der ersten bis zur siebten Klasse unter einem Dach.
Es ist paradox: So überlaufen Stromboli im Sommer sein mag, im Winter herrscht Stille und viele der 500 Einheimischen ziehen in ihre Stadtwohnung am Festland. Wegen der Winter-Stürme ist die Insel oft tagelang nicht erreichbar. Lebensmittel werden dann knapp, die medizinische Versorgung ist schwierig. Außerdem sind die Mietpreise hier deutlich höher als die am Festland, weil viele Eigentümer nur im lukrativen Sommer vermieten wollen. Alles Gründe, gerade als Familien die Insel zu verlassen.
Michela ist trotzdem zurückgekehrt: Sie ist auf Stromboli aufgewachsen und hat später in Neapel Sprachen studiert, das Stadtleben genossen. Dann wurde sie am Ende des Studiums schwanger und ihr wurde klar, dass sie die Einfachheit des Lebens auf der Insel vermisste: "Mit einem einfachem Spaziergang zufrieden zu sein, in der Natur zu leben, das Meer zu bewundern, an stürmischen Tagen, das sind ganz einfache Sachen, aber nicht zu vergleichen mit dem, was es in der Stadt gibt: Kino, Geschäfte, aber: das ist eine Sache: wenn du diese einfachen Dinge nicht hast, fehlen sie dir."
Hilfe durch Digitalisierung?
Die Mini-Schule setzt unterdessen auf Digitalisierung. Per Video ist die Klasse von Salvatore mit der Partner-Klasse auf Lipari verbunden. Eine virtuelle Brücke zur Nachbarinsel oder auch zum Festland, wo viele Lehrer leben. Wenn bei Sturm die Fähren nicht fahren können, können sie per Video unterrichten.
Die achtjährige Ginevra liebt ihre Schule, sagt sie, und das Leben auf der Insel fühlt sich auf einmal doch wieder ein bisschen paradiesisch an. Wobei: Weiterführende Schulen gibt es auf Stromboli nicht. In fünf Jahren wird die Familie die Insel verlassen müssen, das steht heute bereits fest.
Und vielleicht wird Ginevra als Erwachsene es ja auch machen wie ihre Mama, wieder zurückzukehren an den Ort, an dem sie zur Schule gegangen ist, auf die kleine Insel Stromboli.
Autor: Rüdiger Kronthaler, ARD Rom
Im Rahmen der ARD-Themenwoche "Stadt. Land. Wandel - Wo ist die Zukunft zu Hause?"
Stand: 07.11.2021 22:42 Uhr
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