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Kanada: Anpassen oder Untergehen

Kanada: Anpassen oder Untergehen | Bild: Christiane Meier

Willkommen in Churchill. Zwei Tage und zwei Nächte ist der Zug aus dem kanadischen Winnipeg unterwegs. Er bringt Touristen an den westlichsten Teil der Hudson Bay, auf dem einzigen Landweg durch die Tundra.
Sie alle wollen noch einmal eine Welt sehen, die es wohl irgendwann nicht mehr geben wird.

Eisbär-Tourismus in Churchill

Churchill lebt seit den siebziger Jahren vom Tourismus: 900 Einwohner und rund 1000 Eisbären treffen hier aufeinander, denn die Migrationsroute der Bären führt quer durch den Ort. Vor den Toren der Stadt gehen die Touristen auf Bärenjagd – mit Kamera und Polarausrüstung und in bärensicheren Fahrzeugen. Sie wollen eines der größten Raubtiere der Welt in freier Wildbahn zu sehen.
Die Bären sind unruhig. Ihre Fettreserven fast verbraucht, weil sie an Land nicht jagen können, sie haben Hunger.

Mitten im Ort steht das Polar Bear-Institut, das sich ausschließlich mit Eisbären beschäftigt. Der Biologe Geoff York weiß wie sehr der Klimawandel den Raubtieren zu schaffen macht. Nicht nur hier, sondern in der gesamten Arktis: "Wir zählen jede Saison wie lange die Bären vom Eis sind, schon 136 Tage. Wir wissen, dass sie 180 Tage aushalten, bevor wir negative Folgen sehen."
Die Bären von Churchill haben also noch Zeit; für sie heißt es jetzt: Kalorien sparen und viel schlafen, bis das Wetter umschlägt. Nach der Rechnung von Geoff können sie bis Mitte Dezember durchhalten.

Später Winter?

Aber das Eis hat Verspätung, eigentlich sollte hier schon tiefer Winter herrschen, stattdessen gab es im Oktober nicht mal Minusgrade. Besonders für die Bärenjungen ist die lange Hungerperiode eine Gefahr. Erst wenn die Hudson Bay zufriert, können sie wieder auf Robbenjagd gehen: Bei der Geschwindigkeit des Klimawandels, haben die Eisbären keine Zeit sich anzupassen; das müsste auf einer evolutionären Zeitschiene geschehen. Einzelne Bären werden sicher neue Taktiken versuchen, aber echte Anpassung wird es nicht geben, es geht einfach zu schnell.

Der Klimawandel wird hier in Churchill alles verändern. Vor vier Jahren versanken die Schienen der Eisenbahn im tauenden Permafrost, monatelang musste eine Luftbrücke die Einwohner versorgen. Aber für den Bürgermeister Mike Spence war diese Katastrophe vor allem ein Ansporn zur Anpassung. Zusammen mit indigenen Gruppen des Nordens und Investoren wurde die Bahnlinie dem damaligen Besitzer abgekauft und klimafest repariert. Auch der 90 Jahre alte Hafen gehört jetzt den First Nation und soll künftig wieder stärker aktiviert werden. Seine Getreidesilos waren einst prall gefüllt, die Exporte gingen in die ganze Welt. Der einzige arktische Hafen Kanadas könnte in 20 Jahren völlig eisfrei sein – eine Chance.

Geburtsstation Hudson Bay

Hier in Hudson Bay sind typischerweise schwangere Bären, die gerade vom Eis kommen und maximal dick sind, denn sie werden neun Monate an Land verbringen und ihre Babys gebären und säugen und erst im nächsten Frühling wieder jagen können. Sie brauchen das Fett. Bis zu drei Jahre bleiben die Mütter mit ihren Jungen zusammen und säugen sie noch. Ein ganz seltenes Bild, auch für die angereisten Touristen, ein Moment der Hoffnung.

Das Ökosystem rund um Churchill ist dynamisch, Tundra, Meeresküste und nördlicher Nadelwald stoßen aufeinander. Das sorgt für überraschende Entwicklungen, auf dem Territorium der Eisbären verbreiten sich zunehmend Braunbären.
Die Bären und Menschen hier am Rand der Arktis stecken mitten in harten Wandel, dessen Ende für die Tiere festzustehen scheint. Künstler haben den Eis-Bären schon mal ein Denkmal gesetzt.

Autorin: Christiane Meier, ARD New York

Stand: 07.11.2021 22:23 Uhr

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Bayerischer Rundfunk
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