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Kanada: Geo-Engineering – Ingenieurskunst gegen Klimawandel

Kanada: Geo-Engineering – Ingenieurskunst gegen Klimawandel | Bild: dpa / picture-alliance

Es klingt geradezu fantastisch. Eine technische Lösung, die das CO2 aus der Luft filtert und so den Klimawandel stoppt. In Kanada arbeiten sie an solch einer Lösung. Ein Forscherteam macht aus Kohlendioxid Treibstoff. Das Verfahren ist noch nicht serienreif und braucht noch einiges an Entwicklungsarbeit, aber es könnte ein Baustein im großen Puzzle der Klimarettung sein. Direct-Air-Capturing heißt die Technik.

Technologie der Zukunft oder "Green-Washing"?

Auf der kanadischen Bio-Farm von Jordan Sturdy scheint die Welt noch in Ordnung zu sein. Dass es nicht so ist, weiß Jordan vielleicht besser als viele, denn er ist Abgeordneter für West-Vancouver und im Parlament von British Columbia für Umwelt und Energie zuständig. "Es ist längst global akzeptiert, dass es nicht reicht, den CO2 Ausstoß zu beenden, wir müssen den Kohlenstoff aus der Luft herausholen, wenn wir das internationale Klimaziel von 1,5 oder 2 Grad erreichen wollen."

In British Columbia wird Strom bereits zu 98 Prozent aus erneuerbaren Quellen gewonnen. Treibstoff hingegen kommt noch immer aus Gas und Öl und verpestet die Luft. Jordan Sturdy hat sich deshalb dafür eingesetzt, dass die kanadische Regierung in ein CO2-Forschungs-Projekt investiert.

Nördlich von Vancouver in Squamish wird in einer Testanlage schon seit vier Jahren CO2 aus der Luft gefiltert. Der Boss des Projektes Steve Oldman erklärt uns stolz das doch ziemlich simple Prinzip: "Es ist ein großer Ventilator, der saugt die Luft an, bläst sie durch einen Filter mit einer Chemikalie. So fangen wir 80 Prozent des CO2 ein. Bei diesem chemischen Prozess entstehen Pellets. Das CO2 könnte im 18.Jahrhundert verbrannt worden sein. Oder bei Ihrem Flug aus Europa und jetzt ist es hier in den Pellets."

Anlage für Direct-Air-Capturing
Hier sollen in zwei Jahren 50.000 Tonnen CO2 aus der Luft gezogen werden | Bild: SWR

Eine Tonne am Tag kann die Testanlage ausfiltern, aber geplant wird in ganz anderen Dimensionen. Ein Großprojekt in Texas soll in zwei Jahren 50.000 Tonnen Kohlendioxid aus der Luft ziehen. Als Investor ist die Ölfirma Oxy eingestiegen. Sie will durch CO2 Gewinnung und Verpressung irgendwann CO2 Neutral werden. Das könnte zu einer Verlängerung der Ära der fossilen Brennstoffe führen, fürchten Kritiker, ein reines Green-Washing. "2050 oder 2060, sobald wir das Stromnetz ohne Kohlenstoff betreiben, können diese Technologien vielleicht Lücken füllen und das CO2 aus der Atmosphäre ziehen", meint der Energieberater Michael Barnard. "Aber selbst dann wäre es besser, wenn wir Bäume pflanzen und Biomasse nutzen, statt technischer Lösungen"

Aus der Luft klimaneutralen Treibstoff machen

Auch darauf hat Carbon Engineering eine Antwort: "Unsere neue Anlage in Texas wird 50.000 Tonnen CO2 im Jahr ausfiltern", erklärt Steve Oldman, "das entspricht 20 Millionen Bäumen. Die künftige Standardanlage filtert sogar eine Megatonne, so viel wie 40 Millionen Bäume." Bäume wären sicher eine schönere Lösung, aber nicht nur in Kanada müssten dann gewaltige Flächen aufgeforstet werden.

Fläschchen mit Pellets
Nach dem Filtern ist das CO2 ist in Pellets gebunden | Bild: SWR

Das CO2, das sich jahrzehntelang angereichert hat, kann nach dem Filtern aber auch genutzt werden. Luft zu Treibstoff, das ist das eigentliche Ziel. Ein synthetisches Benzin für alle Verbrennungsmotoren. Geoffrey Holmes hat das Projekt vor zehn Jahren mitgegründet – quasi eine Recyclinganlage für CO2. "Statt Benzin zu verbrennen und CO2 in die Atmosphäre zu schicken, nehmen wir den Kohlenstoff aus der Atmosphäre heraus und kombinieren ihn mit Wasserstoff zu Benzin. Wenn das dann verbrannt wird, geht der Kohlenstoff zurück woher er kam. Ein geschlossener Kreislauf."

Um aus Luft klimaneutralen Treibstoff zu machen braucht man erneuerbare Energien, wie Wind, Sonne und Wasser. Geoffrey ist seit der Startup-Phase dabei, damals war das Geld knapp. mittlerweile sind 100 Millionen Dollar zusammengekommen, von Bill Gates, vom Staat und am Ende sogar von der Ölindustrie. "Die Luftfilteranlagen werden eine neue strategische Technik für Jahrzehnte, vielleicht sogar Jahrhunderte sein. Wir müssen mit dem CO2 Problem langfristig umgehen und können mit dieser Technik Solartreibstoff im großen Stil herstellen."

Die Zukunft liegt in der Sonnenenergie

Der wissenschaftliche Kopf hinter Carbon Engineering ist medienscheu. Er kommt aus einer Familie von Umwelt-Aktivisten und forscht als Physik- Professor in Harvard. Wir treffen ihn im Urlaub in den Bergen des Skigebiets Banff. Die Zukunft liegt aus seiner Sicht sowieso in der Sonnenenergie. "Im nächsten Jahrzehnt können wir 500 Megawatt Solaranlagen bauen und absurd billige Energie bekommen", glaubt David Keith, Physikprofessor in Harvard. "Aber das erlaubt Dir noch lange nicht über den Atlantik zu fliegen. Nicht alles kann elektrifiziert werden. Auf lange Sicht muss man mit Sonnenenergie Treibstoff herstellen. Und das ist was wir mit dem CO2 machen."

Jordan Sturdy auf Quad
Der Abgeordnete Jordan Sturdy setzt sich für die Direct-Air-Capturing-Technik ein  | Bild: SWR

Der CO2 Anteil in der Luft ist weltweit fast gleich, auch auf der Öko-Farm von Jordan Sturdy. Als Politiker und Farmer geht es ihm um Lösungen. Dass Carbon Engineering von der Ölbranche mitfinanziert wird, stört ihn nicht. "Wenn es funktioniert, ist es mir egal, wer die Rechnung bezahlt, wichtig ist der Erfolg. Die Ölfirmen beginnen zu verstehen, dass sie und ihre Anteilseigner für die Folgen aufkommen müssen, deshalb ist es für sie wichtig zu diversifizieren und andere Lösungen zu finden." Sein Quad und seine Traktoren würde Jordan nur zu gerne mit CO2-freien Benzin betreiben. Dann hätte sich die millionenschwere Investition in das Startup gelohnt, in ein winziges Mosaiksteinchen bei der Lösung der riesigen Klimakrise.

Christiane Meier, ARD-Studio New York

Stand: 20.10.2019 17:12 Uhr

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