Sa., 16.06.18 | 04:20 Uhr
Das Erste
Japan: Der schwierige Nachbar Nordkorea
Japans Küstenwache auf Kontrolltour. Im Visier: Nordkoreanische Boote, die hier nicht sein dürften. Harmlose Fischer womöglich, aber wer weiß das schon.
Am Strand entführt
Seit Pjöngjang zugab, dass es hier auch schon Menschen entführt hat. Er war einer davon. 40 Jahre ist das nun her, im Sommer 1978, da war Kaoru 20 und spazierte hier am Strand mit seiner Freundin. "Es waren wohl drei Agenten, die uns plötzlich von hinten überfallen und geknebelt haben. Dann schleppten sie uns in ihr Boot. Alles wie in einem Mafia-Film", erzählt das Entführungsopfer Kaoru Hasuike. 24 Jahre lang sollte er sein Land nicht mehr sehen. Denn auf der anderen Seite des Meeres wollte das Kim-Regime ihn zum Japanisch-Lehrer seiner Agenten machen. Man sagte ihm, seine Freundin sei als untauglich zurückgeschickt worden. Ihr sagte man das Gleiche über ihn. Irgendwann fand er sich damit ab.
"Sie hatten mir anfangs ganz trocken erklärt: Dies ist die demokratische Volksrepublik Korea. Es war notwendig, Sie hierher zu bringen. Das ist alles", so Kaoru Hasuike.
Weil Japan noch immer Landsleute vermisst, hofft Premierminister Abe, dass die USA das Problem nun in Singapur mit behandeln. Doch darauf hoffte Japan schon oft. Wirklich geholfen hat es nie.
Problem lösen mithilfe von Amerika?
Wir sind verabredet an einer Elite-Universität in Tokio. Internationale Politik, vielleicht die Diplomaten von morgen. Ist es gut, fragen wir in ihre Runde, bei dem Problem allein auf Amerika zu setzen? "Da wir selbst keine Militärmacht sind, können wir nur auf Amerika hoffen", sagt der Politik Student Yasuka Nawata. "Egal, wer dort Präsident ist, Japan darf die Beziehungen zu den USA durch nichts untergraben", findet der Politik-Student Akinori Saito. "Es ist nicht leicht, das zu lösen, das hat mit der Geschichte zu tun, halten andere bald dagegen", so Politik-Studentin Maria Izumi.
"Japan muss auch selbst direkte Beziehungen zu Nordkorea aufbauen. So wie es die Koizumi-Regierung schon einmal gemacht hat", sagt Ayaka Sekiguchi, Politik-Studentin.
Tatsächlich hatten Koizumis Unterhändler einen Vorstoß gewagt und Pjöngjang Wirtschaftshilfe angeboten, auch als Entschädigung für die Kolonialzeit. Und das gegen Amerikas Rat. Der frühere Staatssekretär im Außenministerium, Hitoshi Tanaka, bestätigt das im ARD-Interview.
"Washington war über Koizumis Besuch in Pjöngjang nicht sehr glücklich. Vor allem die Neokonservativen Cheney, Rumsfeld und auch John Bolton waren dagegen. Ich habe deshalb lange verschwiegen, dass wir einen Besuch planten. Und dort nur gesagt, wir hätten Kontakt", erzählt Hitoshi Tanaka, ehem. Unterhändler.
Einige Entführte bislang verschollen
Zeitgleich versuchte damals das Kim-Regime, die Entführten an Korea zu binden. Kaoru durfte seine Freundin sehen und heiraten. Zwei Kinder besuchten bald die koreanische Schule. "Wir sagten den Kleinen damals, dass wir zwar in Japan gelebt haben, aber dass wir koreanische Wurzeln hätten. Also auch sie. Wir wollten nicht, dass sie in der Schule als Kinder des Erzfeinds behandelt würden", sagt Kaoru Hasuike. Andere Entführte blieben verschollen. Manche seien verstorben, teilte das Kim-Regime mit. Keine Todesurache, keine Einzelheiten. Für die Angehörigen bis heute eine endlose Qual.
"Ich hoffe, dass Präsident Trump den Druck auf Kim Jong Un erhöht, alle Verschleppten an Japan zurückzugeben. Was haben wir denn sonst für eine Wahl", fragt sich Akio Terakoshi, Angehörigen-Initiative Kanazawa.
"Ich denke, wir werden unsere Themen auch selbst vorantreiben müssen. Das reicht von den Entführten bis zu Kims Mittelstreckenwaffen. Die bedrohen ja uns, und nicht die USA", widerspricht Kisako Kuroda.
"In Sicherheitsfragen bleiben wir den USA ja trotzdem verbunden. Auch wenn es um den Welthandel geht, die Wirtschaft, die Strafzölle. Oder um Umweltschutz oder den Klimavertrag, den Amerika aufgekündigt hat, während wir dafür sind. Wir werden eh eigene Wege gehen müssen, unabhängig davon, ob die USA nun dafür oder dagegen sind", findet Kaana Hayashi, Politik-Studentin.
Diplomatisches Ringen für die Freiheit der Kinder
Fünf Entführte, darunter Kaoru und seine Frau, hatte Koizumi durch seine Initiative freibekommen. Nach langem diplomatischem Ringen folgten die Kinder. "Ich sagte allen Eltern damals, dass das dauern könne. Tatsächlich brauchten wir dafür nochmal mehr als ein Jahr", sagt Hitoshi Tanaka, ehem. Unterhändler. Für Kaoru und seine Frau eine furchtbare Zeit. Er wollte durchhalten, sie wollte lieber zurück zu den Kindern.
"Das war die schwierigste Phase für uns alle. Auch die Kinder haben gelitten, schrieben flehende Briefe. Sie waren das Pfand. Denn der Plan des Regimes war natürlich, dass wir Japan nochmal eben besuchen würden, damit das erledigt wäre, und dann für immer nach Nordkorea zurückkämen", erzählt Kaoru Hasuike, Entführungsopfer.
Mag sein, dass die Zeit viele Wunden heilt, sagt er heute. Aber diese nicht. Trotzdem verurteile er nicht Nordkorea als Land. Das Regime, das diese Verbrechen plante, aber umso mehr.
Bericht: Klaus Scherer / ARD Studio Tokio
Stand: 05.08.2019 03:50 Uhr
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