Mo., 20.03.17 | 04:50 Uhr
Das Erste
Japan: Low-Techland
Japan, das sind: Züge auf der Überholspur. Toiletten zum Abheben – oder Niederknien. Und artifizielle Alleskönner, unsere besten Freunde – oder? Schöner, japanischer Schein.
Kein High-Tech-Land
Und jetzt: Japanisches Sein: "Moshi, moshi! – Hallo? – Was das ist? Ein telekommunikativer Urzeitknochen. Gibt’s in Japan noch zuhauf. Vergessen Sie das Bild vom High-Tech-Land Nippon – in Wahrheit steht die Zeit hier nämlich still. Eine kleine Low-Tech-Hitparade – mit unseren bezaubernden Nummerngirls!" Platz fünf. Darwin, aufgepasst: ein Klapphandy! In Japan 'Galapagos'-Phone genannt. – Schwer vom Aussterben bedroht. Letztes Refugium: rund um den Fuji. Keine Kinkerlitzchen, Wahl aller Technophobiker.
"Ich benutze es selbst, hier im Laden ist das unser Hauptprodukt. Viele wollen nur telefonieren. Es ist kostengünstig, und man hat sich einfach dran gewöhnt", erzählt Kiyoshiro Suzuki, ein Galapagos-Phone-Verkäufer.
Zentralheizung unterm Tisch, Miefquirl in der U-Bahn, Holzschlüssel in der Umkleide: Nur nichts überstürzen. – Neues bringt die Ordnung durcheinander, und die ist heilig in Japan. – Und wo ist die Welt noch so richtig in Ordnung? Bei der Arbeit!
Unsere nächste Nummer: Hallo, hat jemand den Computer gesehen? – Zellstofflastig, ineffizient, langsam. Japans Papiertiger treiben unsereins ins Harakiri. – Ach, da ist er ja. Fahren wir ihn doch mal hoch. – EDV? Nix. – Hier steht der Mensch noch im Vordergrund.
"Wir haben hier Windows 7. Es gibt ja auch diese Touchscreens jetzt, aber muss das sein? – Wir bewahren auch viel auf Papier auf, ich finde da schneller was. Da bin ich altmodisch", sagt Hideyuki Ban, Büroleiter.
Ticketautomat statt Ticket-App
So soll es sein. Und am japanischen Stempelwesen soll die Welt genesen. – Ach Augenblick, verweile doch, Du bist so schön..."Will der Japaner online eine Bahnfahrkarte kaufen, dann wird er erst mal Mitglied, dann bucht er, dann druckt er sich eine Bescheinigung aus – nicht die Tickets –, und mit dieser Bescheinigung geht er dann in einen Bahnhof zu einem Ticketautomaten, und da kriegt er dann die Fahrkarten. Is’ doch logisch, oder?"
Technologischer Rückstand, geschlossene Systeme, Sicherheitswahn. – Konnichiwa! – Ticket aufs Handy? Wie jetzt, aufs Galapagos-Phone?
"Da hätt’ ich die Karten ja jetzt auch gleich im Bahnhof kaufen können. Aber fragen Sie bloß nie jemanden, warum die Dinge hier so sind, wie sie sind. – Mariko, warum sind Dinge hier eigentlich so, wie sie sind?" Digitali-was? Japan hat immer noch die auflagenstärksten Zeitungen der Welt. – Manche gibt’s noch zweimal täglich, auf Papier! – Der Japaner hat gerne was in der Hand. Siehe auch unsere nächste Nummer...
Altmodisch aber charmant
Datenträger von gestern! Trucks tuckern durch Tokios Straßen, zertrümmern Trommelfelle und bewerben Musik-CDs. – Und das im Zeitalter des Downloads. – Vergiss es, in Japan sind noch 80 Prozent aller Tonträger Silberscheiben: "Ich habe zuhause noch eine Komponenten-Stereoanlage. Damit Musik zu hören ist richtig spannend. Mir gefällt das", erzählt Yuki Shioya, eine Kundin bei TowerRecords.
Und die dollen Datenträger von vorgestern erst: Musikkassetten, VHS-Rekorder, die passenden Tapes dazu – alles noch zu haben. Freuen wir uns also auf die Zukunfts-Generationen von Faxgeräten, Taschenrechnern, Sprachcomputern und Visitenkartenkarussellen – alles fast so schön wie die nächste Nummer...
Japans TV ist so 80er, hier wird noch gebastelt: Der Premierminister erläutert die Weltlage – mit Wattebäuschchen, Spielfigürchen, ohne sich zu schämen. Papp-dreidimensional geht’s auch im Universum zu, schnell erklärt. Hier weiß man sogar, wie Außerirdische aussehen.
'LowTech Japan': Traditionen, Gewohnheiten und ein Schuss: 'Ihr könnt uns mal'. Ja, altmodisch, aber auch irgendwie charmant: "Und deshalb ziehe ich meinen Hut vor Japan, nehme meine Stempel und sage: Toll!"
Autor: Uwe Schwering / ARD Studio Tokio
Stand: 14.07.2019 04:27 Uhr
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