Mo., 15.01.18 | 04:50 Uhr
Das Erste
Jordanien: Klempnerinnen erobern einen Männerberuf
Das Königreich Jordanien ist eine Art ruhige Insel mitten im krisengeschüttelten Nahen Osten. Doch auch hier bewegt sich etwas – positiv. Das Land hat hunderttausende Flüchtlinge aus Syrien aufgenommen. Die Wirtschaft ist angeschlagen. Trotzdem arbeitet nur gut die Hälfte der erwachsenen Bevölkerung: überwiegend Männer.
Hilfsprojekte – teils von Deutschland unterstützt – sollen nun auch Frauen auf den Arbeitsmarkt bringen. Und warum nicht gleich in einen Beruf, der weltweit von Männern beherrscht wird? Schließlich sind in einer Region, in der jeder Wassertropfen wertvoll ist, gute Klempner(innen) besonders wichtig. Eine Reportage von Daniel Hechler (ARD-Studio Kairo).
Mit Hijab bohren, dübeln, hämmern, schleppen. Aisha weiß, dass dieser Anblick manch einen verwundern mag. Und zieht ihr Ding trotzdem durch. Auch wenn es mal staubt und stinkt. "Ich habe mich irgendwie daran gewöhnt", sagt die Klempnerin Aisha Aloshoush. "Ich fühle mich sogar richtig gut dabei. Mich schreckt das nicht mehr." Klempnerinnen auf einer Baustelle in Amman. Hier entstehen Luxuswohnungen. Und ganz nebenbei ein neues Frauenbild in der arabischen Welt. Die vier unerschrockenen Ladies schrauben Solaranlagen zusammen, säubern Wasserkanister, sägen Abluftrohre auf Maß. Gläubige Muslimas in einer klassischen Männerdomäne. Gelegentlich noch ein wenig ungelenk. Aber mit viel Verve. "Mir macht es Freude, Klospülungen zu reparieren oder Waschmaschinen", sagt eine der Frauen. "Auch mal einen defekten Wasserhahn auszuwechseln." Eine Kollegin ergänzt: "Ich fühle mich einfach gut, wenn die Arbeit gemacht ist und alles gut geklappt hat. Dann bin stolz auf mich. Und natürlich auch auf die Mädels hier, meine Kolleginnen."
Für manche Männer eine Zumutung
Bei ihren männlichen Kollegen auf der Baustelle freilich hält sich die Begeisterung in Grenzen. Die Damen sind für manch einen hier schlicht eine Zumutung. Auch wenn die Herren das eher verklausuliert ausdrücken.
"Wenn wir Männer unter uns sind, können wir uns auf der Baustelle frei bewegen. Wenn Frauen da sind, geht das nicht mehr so", meint einer. Ein anderer sagt: "Es gibt Empfindlichkeiten zwischen Mann und Frau. Frauen fühlen sich nicht wohl dabei, neben einem Mann eine Waschmaschine zu bedienen oder eine Toilette zu installieren." Und ein weiterer Arbeiter meint: "Frauen können ja gerne die Aufsicht übernehmen. Design. Kosmetik. Solche Arbeiten machen. Aber kann eine Frau auf dem Bau arbeiten? Steine schleppen?"
Aisha lassen solche Sprüche kalt. Die 37jährige lebt in einer Kleinstadt südlich von Amman, muss ihre Mutter, ihre Schwester, deren Kind versorgen. Irgendwie. Es gibt kaum Jobs in der Gegend. Und die wenigen sind schlecht bezahlt. Zuletzt war sie Friseurin. Als Klempnerin verdient sie deutlich mehr. Immerhin gut 20 Euro pro Einsatz. Ein paar Stammkunden hat sie schon, etwa die Friseurin um die Ecke. Diesmal ist ein Duschkopf defekt. Solche Dinge kriegt sie mittlerweile locker hin. "Am Anfang fand ich die Idee schon komisch. Es ist Männerarbeit. Aber ich habe mir gesagt, ich versuche es einfach mal. Als eine Art Zeitvertreib. Ich dachte, es wird eine Ausbildung wie jede andere. Aber dann hat es richtig Spaß gemacht. Und es hat sich gelohnt."
Es ist noch ein weiter Weg
Für die Salonbesitzerin sind Klempnerinnen ein Segen. Aus einem einfachen Grund, der mit Feminismus freilich wenig zu tun hat. "Meine Kundinnen sind alle Frauen, die draußen Kopftuch tragen", sagt die Friseurin Samiha Falah Dgheimat. "Ein Mann darf hier nicht rein. Mir ist es deshalb lieber, wenn sie bei mir arbeitet. Und außerdem sie ist auch ehrgeizig." Noch ist es ein weiter Weg zur Gleichberechtigung von Mann und Frau in Jordanien. Das Königreich ist ein Anker der Stabilität in der Region. In vielerlei Hinsicht moderner als andere Länder. Und doch zählen Tradition und Religion hier viel, Frauenrechte wenig. Nur gut jede sechste Frau hat einen Job.
Zeit umzudenken. Die stille Revolution nimmt in dieser Berufsschule auf dem Land ihren Lauf. Patente Frauen lernen, einen Wasserhahn zu montieren und vieles mehr. In Theorie und Praxis. Nach zwei Monaten winkt ein Zertifikat als Klempnerin. Die Absolventinnen sind gefragt in einem Land, in dem Wasser ein knappes Gut ist, viele Rohre und Leitungen undicht. Die deutsche "Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit" unterstützt die Ausbildung. "In der Vergangenheit haben Frauen nur als Krankenschwestern oder Lehrerinnen gearbeitet. Heute sind sie in allen Bereichen beschäftig"; erklärt Hend Alshdeifat von der Deutschen Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit. "Niemand hätte es früher für möglich gehalten, dass es in Jordanien Klempnerinnen gibt. Aber jetzt behaupten sie sich in großer Zahl in unserer Gesellschaft."
Die Ausbildung hat die Frauen verändert
Knapp 170 Frauen haben das begehrte Zertifikat schon in der Hand. Nach einer Ausbildung, die sie verändert hat. Heute sind sie selbstbewusste Frauen mit Stehvermögen und einem Job. "Nichts auf der Welt ist nur für Männer gemacht. Wenn ich mir irgendetwas wie diese Ausbildung in den Kopf setze, dann schaffe ich das auch", sagt eine der Frauen. "Das hat mein Leben verändert" meint eine andere. "Ich weiß jetzt, dass ich so etwas kann, einen Wasserhahn oder einen Mixer aufmachen. Bei mir, bei der Familie, meiner Schwester, Nachbarn. Ich bin tatsächlich jemand anderes geworden."
Feierabend für Aisha und ihre Kolleginnen nach einem harten Tag auf dem Bau. Auch heute haben sie mit ihrer Arbeit einmal mehr Klischees aufgebrochen, Rollenbilder auf den Kopf gestellt, die arabische Welt für Frauen ein bisschen offener gemacht.
Stand: 31.07.2019 22:34 Uhr
Kommentare