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Kasachstan: Vorsichtige Distanz zu Russland

Kasachstan: Vorsichtige Distanz zu Russland | Bild: Ina Ruck / ARD Moskau

Steppe, soweit man gucken kann: Kasachstan, reich an Bodenschätzen, flächenmäßig neuntgrößter Staat der Erde. Mitten in der Steppe bauten sie hier vor 30 Jahren ein verschlafenes Provinznest zur neuen Hauptstadt aus.
Kasachstan ist ein junger Staat, entstanden nach dem Zerfall der Sowjetunion – da wollte man gleich was hermachen, mit supermoderner Architektur. Nur-Sultan heißt die Stadt, benannt nach dem früheren autoritären Langzeitpräsidenten Nursultan Nasarbajew. Oben im Turm stehen sie bis heute Schlange – sein goldener Handabdruck soll Wünsche erfüllen.
Kasachstan ist ein Vielvölkerstaat, auch ethnische Russen leben hier, fast alle im Land sprechen noch Russisch. Die Beziehungen zu Moskau sind traditionell gut. Doch der Krieg gegen die Ukraine trübt die alte Freundschaft. Das ist überall herauszuhören – obwohl sie hier eher vorsichtig sind mit Meinungsäußerungen.

Mittellage im Binnenland

Geografisch liegt Kasachstan zwischen Russland und China. Allein das verlangt Fingerspitzengefühl. Im Außenministerium von Nur-Sultan erklärt uns Roman Wasilenko, einer der stellvertretenden Minister, wie sie das machen – sie haben dafür sogar einen eigenen Fachbegriff: "Die Basis unserer Außenpolitik ist die Multi-Vektorenpolitik. Das heißt, dass wir versuchen, zu allen unseren Nachbarn gleich gute und gleichwertige Beziehungen aufzubauen. Sowohl zu unseren direkten Nachbarn wie Russland und China als auch zu den Staaten des Westens."

Eine Balance, auf die sie hier stolz sind, aber auch sie gerät durch den Krieg nun ins Wanken. Zu beobachten war das im Juni in Sankt Petersburg, als Kasachstans Präsident Tokajew dem überraschten Gastgeber Putin vor Publikum ins Gesicht sagt, dass Kasachstan die Unverletzlichkeit von Grenzen achte – ein Affront: "Deshalb erkennen wir zum Beispiel Taiwan oder Kosovo nicht an. Und dieses Prinzip gilt auch für die aus unserer Sicht quasi-staatlichen Gebiete in Lugansk und Donetsk."

Tausend Kilometer südlich von Nur-Sultan liegt Almaty, die größte Stadt Kasachstans. Hier gab es anfangs sogar zwei Demos gegen den Krieg in der Ukraine. Weitere ließ die Stadt nicht zu – bloß kein Unfrieden, dazu ist die Situation zu fragil. Denn der "blutige Januar" wie sie hier sagen, ist erst gut ein halbes Jahr her. Im Ausland sind die Ereignisse fast vergessen, der Ukrainekrieg hat alles überdeckt. Doch hier in Almaty ist der Januar noch sehr präsent: das verwüstete Bürgermeisteramt, die zerstörte Residenz des Präsidenten.

Der "blutige Januar"

Hier, am Platz der Republik, eskalierte damals friedlicher Protest gegen Preiserhöhungen zum gewalttätigen Aufstand, wohl befeuert von Tokajew-feindlichen Kräften. Der Präsident ließ den Aufstand brutal niederschlagen, mehr als 200 Menschen starben.

Auf der Höhe der Proteste hatte Tokajew ein von Russland geführtes Verteidigungsbündnis zu Hilfe gerufen – plötzlich waren russische Soldaten im Land. Das hat viele in Kasachstan beunruhigt. Deshalb musste sich Tokajew in Sankt Petersburg so deutlich von Putin distanzieren. Das war nicht nur ein Zeichen Richtung Westen.

Kasachstan ist ein Binnenland, auch fast alle Handelswege nach Westen führen über Russland. Aber hier haben sie einen anderen Weg gefunden. Sie sammeln Spenden für die Ukraine – in Eigenregie, der Staat lässt es zu. Lebensmittel, Kleidung, Medikamente – von Almaty aus schicken sie regelmäßig einen LKW Richtung Europa.
Kasachstan ist einer der ganz wenigen Nachbarn, dem es bisher gelingt, die Balance zu halten zwischen Moskau und dem Westen. Präsident Tokajew hat deshalb sicherheitshalber ein Signal auch an Putin gesandt: Trotz aller Differenzen werde das Land die gemeinsame Zollunion mit Russland natürlich nicht verlassen.

Autorin: Ina Ruck, ARD Moskau

Stand: 07.08.2022 23:36 Uhr

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