Mo., 24.07.17 | 05:00 Uhr
Das Erste
Kenia: Maismehl entscheidet die Wahl
Hier in Naivasha im Maasai-Land hoffen sie, dass es diesmal endlich klappt und ihr Kandidat der Opposition die Wahl gewinnt.
Nur von Gemüse wird man nicht satt
Denn schlimmer kann es in Kenia kaum kommen. Jetzt, wo es kein Unga, kein Maismehl, mehr gibt im Land. Hakuna Unga, kein Unga, heißt es auf den Schildern. Er zeigt besonders drastisch, dass man von Gemüse allein nicht satt wird. "Wenn Raila Odinga Präsident ist, dann wird es keinen Hunger mehr geben. Im Moment nämlich sind die kleinen Leute sehr hungrig. Aber die da oben essen gut", sagt ein Ugali-Mann.
Auf den ersten Blick sieht es an dieser Maismühle in Nairobi so aus, als ob es kein Problem gäbe. Aber hier wird nur Mais aus heimischer Produktion verarbeitet – der ist aber zu knapp und deshalb zu teuer.
Dürre, Insektenbefall und Missmanagement haben zu der Krise geführt. Zwar importiert die kenianische Regierung inzwischen Mais aus Mexiko, doch auch der reicht hinten und vorne nicht.
"Dieser importierte Mais soll angeblich für nur 90 Schillinge verkauft werden, aber in den Läden kostet er viel mehr, wenn es überhaupt welchen gibt. Das ist doch Korruption aus erster Hand", beschwert sich ein Kunde.
Früher waren die Portionen doppelt so groß
Wie so oft leiden die, die ohnehin schon wenig haben. Lydia Olesi schuftet auf Baustellen in der Hauptstadt Nairobi. 500 Schillinge, umgerechnet 3,50 Euro bekommt sie dafür am Tag – wenn sie überhaupt jemand anheuert. Krankheit kann sie sich nicht leisten, Urlaub hat sie nie.
Mittags geht Lydia mit einem Kollegen in die Pause. Normalerweise essen sie dann eine große Portion ‚Ugali‘, DEN kenianischen Sattmacher. Doch auch die Köchin in ihrer Stammbude hat nicht genug Maismehl. Früher waren die Portionen doppelt so groß.
"Mein Leben ist jetzt noch schwerer. Wenn ich arbeite, wird mir oft schwindelig. Wenn ich atme, fühlt es sich an, als ob nicht genug Luft in meinem Körper ist. Meinen Gürtel schnalle ich immer enger. Ohne Ugali ist es unerträglich", sagt Lydia Olesi.
Die Köchin macht nun mehr Chapatis – aber Weizenmehl wird allmählich auch schon knapp. In einem anderen Slum in Nairobi bereitet sich die Polizei auf eine Kundgebung anlässlich der bevorstehenden Wahlen vor. Peace Cops nennen sie sich, Friedenspolizisten. Doch das Misstrauen der Slum-Bewohner ist groß.
"Wir sind schon bereit, friedlich zu sein. Aber nur, wenn auch die Wahlen friedlich und vor allem fair ablaufen. Ich würde lieber sterben, als diese Regierung nochmal zu haben. Die Leute leiden, wir leiden alle", demonstriert ein Mann.
Korruption und Willkür in der Regierung
Seit Jahrzehnten fühlen sich die Menschen in Kenia von ihrer jeweiligen Regierung vernachlässigt, leiden unter Korruption und Willkür. Der Friedens-Polizist Joseph Balanga hat für den Unmut der Slumbewohner nur bedingt Verständnis.
"Die meisten sagen, es gäbe keine Möglichkeiten, aber manche gehen ja noch nicht mal los, um nach einem Job zu suchen. Man kann nicht alles auf dem Silbertablett bekommen. Man muss hart arbeiten, um es zu etwas zu bringen."
Solche Aussagen machen die Menschen wütend. Die Fischverkäuferin Rose zum Beispiel lässt ihren ganzen Frust an den Peace-Cops aus. "Es gibt doch noch nicht mal Maismehl, obwohl Ihr es uns versprochen habt. Für 90 Schillinge habt Ihr es versprochen. Und wo ist es? Von welchem Frieden redet Ihr eigentlich?"
Sie lässt sich kaum beruhigen. "Stellt einfach sicher, dass die Wahlen nicht wieder krumm laufen! Was soll der Friedensquatsch, wenn ich vor Armut sterbe!"
Wie Menschen leben
Viele Kenianer befürchten Wahlfälschung zugunsten der amtierenden Regierung. Nach der Arbeit auf dem Bau will die Tagelöhnerin Lydia Olesi Abendessen für ihre Kinder kaufen. Wieder gibt es kein Maismehl. Die Preise für andere Grundnahrungsmittel sind ebenfalls in die Höhe geschossen.
"Ich habe nicht genug Geld, um ausreichend Reis zu kaufen. Ich nehme jetzt das kleine Päckchen hier, damit meine Kinder diesen Tag halbwegs satt abhaken können", sagt Lydia Olesi.
Zwei Kinder hat Lydia, ihr Mann lebt im Heimatdorf. Nach einem Unfall auf dem Bau ist er gelähmt. Auch die Kinder will Lydia während der Wahlen aufs Land schicken, aus Angst vor Gewalt.
"Wer auch immer die Wahl gewinnt, sollte die Lebensmittelpreise senken und die Gehälter anheben. Die Politiker sollten auch mal an uns ganz unten denken, wenn sie die Diäten für die Abgeordneten wieder erhöhen. Dann könnten auch wir wie Menschen leben."
Versprechen während der Wahl
Zurück in Naivasha. Nach vielen Stunden Warterei nähert sich endlich der Hubschrauber des Präsidentschaftskandidaten Raila Odinga. Er ist einer von denen, die sich um ihr tägliches Mahl keine Sorgen machen müssen. Die Menschen jubeln, weil sie ihm glauben wollen. Auch wenn er ihnen das Blaue vom Himmel verspricht.
"In hundert Tagen werden die Lebensmittelpreise fallen. Alle Schulen werden kostenfrei sein. Lehrer und Ärzte werden besser bezahlt werden. Mit der Wirtschaft geht es bergauf", sagt Raila Odinga.
Doch plötzlich verdunkelt sich der Himmel über Naivasha. Ein heftiger Sandsturm bricht los. Manche Zuschauer raunen: seht ihr, auch er ist ein Lügner. Sonst würde der Himmel doch nicht so böse reagieren...
Autorin: Sabine Bohland / ARD Studio Nairobi
Stand: 16.07.2019 08:20 Uhr
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