Gaza: Humor als Waffe

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"Hey, du Süße, sexy!" "Habe ich da gerade richtig gehört? Habt ihr mich echt so blöd angemacht." Das haben die Gaza-Jungs so tatsächlich noch nie erlebt. "Waoh! Das ist zu viel des Guten! Die hat zwei Männer geschlagen. Ist die Rambo oder was?" "Ich mag nicht, dass sie Männer anfasst. Aber auf der anderen Seite muss eine Frau aber auch ihre Ehre schützen."

Frauen- und Männerrollen in islamischer Macho-Gesellschaft

Gaza: Als Comedian muss man in Gaza auch mutig sein

Und wenn nur einer der Zuschauer jetzt nachdenkt, über die klassischen Frauen- und Männerrollen in dieser islamischen Macho-Gesellschaft, dann haben sie ihr Ziel erreicht. Die Comedy-Gruppe nennt sich "Bas ya Zalame", was frei übersetzt in etwa bedeutet: "Ey, Mann, Schluss mit dem Scheiß!" "Wir kritisieren unsere Gesellschaft, aber wir schlagen keine Lösung vor. Wir zeigen den Zuschauern: Das läuft schief, setzt euch damit auseinander", sagt ein Schauspieler.

Drei Frauen haben Reham angesprochen. Sie kennen alle ihre Clips. Reham ist ihr großes Idol. Die 19-Jährige – ohne Kopftuch und in Jeans – ist eine absolute Ausnahmeerscheinung in der von der radikal-islamischen Hamas regierten Männerwelt. Die Normalität in Gaza und der humorvolle Umgang damit ist das Thema all ihrer Videoclips.

Feministische Aufstände in Clips

Gaza: Ein junger Comedy-Star in Gaza: Reham al-Kahout

In diesem spielt Reham eine Braut, die von der künftigen Schwiegermutter vermessen wird. Wie bei einem Vieh-Handel. Die Qualität der Haare und Augen wird geprüft. Den Part der Schwiegermutter muss ein männlicher Kollege übernehmen. Reham ist die einzige Frau, die sich in Gaza Szenen zu spielen traut, die in einem kleinen feministischen Aufstand enden: Als ihre Bissfestigkeit auf die Probe gestellt werden soll, beißt sie verbal zu: "Hör mal, ich will nicht heiraten! Hau ab Schwiegermutter und nimm Deinen Sohn gleich mit! Geht, Haut ab!"

"Reham zeigt uns, dass eine Frau eine starke Persönlichkeit haben und sich verteidigen muss. Wir brauchen solche Frauen in Gaza", sagt ein weiblicher Fan.

Ein anderer weiblicher Fan ist aber auch skeptisch. "Ich glaube nicht, dass wir es schaffen werden, diese Gesellschaft zu verändern. Es würde nicht akzeptiert werden, wenn wir uns plötzlich alle wie Reham verhalten, etwa auch ohne Kopftuch auf die Straße zu gehen."

Eine ähnliche Szene wie im Videoclip mit dem Möchtegern-Ehemann hat Reham, die Jura studiert, schon selbst erlebt. In einer Drehpause erzählt sie, dass ein entfernter Verwandter der Mutter um ihre Hand angehalten hatte.

"Ein Typ wollte mich heiraten. Seine Bedingung war, dass ich mit dem Schauspielen aufhöre. Ich sollte alles vergessen, was mir wichtig ist und mich so verhalten und anziehen, wie es in unserer Gesellschaft traditionell üblich ist. Das habe ich abgelehnt."

"Ich habe den Jungen nicht so schlecht gefunden. Aber ich unterstütze Reham bei allem was sie erreichen will", sagt ihre Mutter.

Bewunderung nur für männliche Schauspieler

Gaza: Reham al-Kahout bringt Menschen zum Lachen, wo es nicht viel zum Lachen gibt

Allerdings, ganz ohne Zugeständnis an die Gaza-Gesellschaft geht es auch bei ihnen nicht. Reham kann niemals alleine zu den Drehs mit den männlichen Kollegen. Die Mama ist als Aufpasserin immer dabei. Denn Reham hat in der sittenstrengen Hamas-Welt schon viel wütende Kritik und Drohungen einstecken müssen.

Zum Beispiel auch für diesen Clip: Sie spielt eine Verkehrspolizistin in Gaza. In der Realität – noch dazu in diesem sexy Aufzug – undenkbar. Die Autofahrer, natürlich alles Männer, betrachten sie wie ein Wesen vom anderen Stern. Und als Frau natürlich vollkommen ohne Autorität. Ein eigentlich harmloser Videoclip.

Aber während ihre männlichen Kollegen für ihre Auftritte durchwegs bewundert werden, ist Reham häufig Ziel wüster Beschimpfungen in den sozialen Medien. Tenor: Eine anständige Frau tue so etwas nicht. Selbst Verwandte haben sich öffentlich von ihr distanziert.

Gesellschaft mit Humor verändern

Gaza: Eine Jurastudentin eckt an in Gaza – mit Humor

"Diese vielen schlechten Sachen, die die Menschen über mich gesagt haben, dass ich eine Schande sei, hat mich tief getroffen. Ich habe zu meiner Mutter gesagt: Das war’s ich höre auf. Ich wollte das Haus nicht mehr verlassen. Aber meine Mutter hat mich wieder aufgebaut und ermutigt."

Statt das Drehen von Video-Clips dem Ehemann zuliebe aufzugeben, kauft sich Reham einen schönen Goldring und Schmuck lieber alleine mit Mutter und Freundinnen.

Sie hofft auf eine Karriere als berühmte Schauspielerin in der arabischen Welt. Eine, die die Gesellschaft mit Humor verändern kann. Es ist ihr glitzernder und funkelnder Traum. Eine Hoffnung und auch Ausflucht aus der sonst düsteren Realität in Gaza.

Autorin: Susanne Glass / ARD Studio Tel Aviv

Stand: 16.07.2019 08:20 Uhr