Mo., 13.07.15 | 04:50 Uhr
Das Erste
Indonesien: Kippenwerbung für Kids
Voller Elan und immer auf Achse. Aldy Rizal. Der Kleine aus Sumatra, erst acht Jahre alt. Aber schon zwei Leben. Aldy war einst der wohl jüngste Kettenraucher der Welt. 40 Zigaretten am Tag mussten es schon sein, damals als Zweijähriger.
Aldy Rizal:
Aldy und ich, wir sind alte Bekannte. Vor fünf Jahren haben wir uns das erste Mal gesehen. So haben wir ihn kennengelernt: als kettenrauchendes Kleinkind. Aldy konnte noch kaum sprechen. Aber Zigarette-Rauchen wie ein Großer. Eine nach der anderen, zwei Schachteln am Tag. Und wenn es keine gab, hat er gezappelt, geweint, geschrien.
Ardi Rizal, Zweijähriger Kettenraucher:
Fluppe statt Flasche: Wie es damals genau begann – keiner will sich erinnern. Nur, dass Aldy mit 18 Monaten seinen ersten Lungenzug genommen hat.
Diana Rizal, Mutter:
Die Luft verraucht, die Sonne glühend wie ein Glimmstängel: Jakarta, Indonesiens Hauptstadt. Willkommen im letzten Raucherparadies auf Erden. Beinahe überall darf geraucht werden. Und beinahe jeder tut es.
Die Tabakindustrie verkauft Milliarden Zigaretten jährlich. Doch zu viele, warnen Experten, landen in den Händen von Jugendlichen und Kindern.
Priyo Sidipratomo, Arzt & Aktivist:
Die Zigarettenkonzerne haben das Land als den weltweit wichtigsten Zukunftsmarkt entdeckt. Auch weil die Politik sie gewähren lässt. Werbung für Zigaretten findet sich an jeder Straßenkreuzung. Die Kampagnen zielen auf junge Erwachsene. Aber erreichen auch Kinder. Cool, spannend, voller Action. Das zieht.
Jeden Tag, so schätzt die Weltgesundheitsorganisation, fangen in Indonesien 10.000 Kinder das Rauchen an. Etwa 30 Millionen zusätzliche Raucher, sagen Gesundheitsexperten für die nächsten 10 Jahre voraus. Schier unermessliche Zahlen. Mit dramatischen Folgen: Massenhaft drohen Krebs, Herz- und Lungenleiden. Indonesien steuere auf ein Desaster zu.
Priyo Sidipratomo, Arzt & Aktivist:
Im Schnitt fangen die Indonesier mit sieben Jahren an, zu rauchen. Vor allem westliche Marken sind attraktiv für junge Leute. Aber los geht's oft mit heimischen Nelkenzigaretten. Süß wie ein Bonbon. Aber extrem stark. Mit viel Teer, viel Nikotin.
Aufhören ist beinahe unmöglich. Therapien gibt es nicht – oder sind für viele unbezahlbar.
Rauchende Kids:
Hier kommt der Tabak her: Temangung, auf Java, das Land der Zigarettenbarone. Die Gegend liegt zwischen zwei Vulkanen. Einer schläft seit Jahrhunderten. Der andere raucht so munter wie die Menschen hier.
Heriyanto, der Tabakbauer, hat schon im Kindergarten seine ersten Zigaretten geraucht.
Heriyanto, Tabakfarmer:
Hier nicht zu rauchen wäre wirklich seltsam. Der Tabak gehört zu unserem Leben. Wenn mir jemand Reis anbietet oder eine Zigarette, würde ich immer die Zigarette nehmen. Rauchen ist wichtiger als Essen.
Die Tabaklobby ist so stark wie eine Zigarette ohne Filter. Und auch die Regierung zeigt wenig Interesse junge Leute vor dem Tabak zu schützen. Arbeitsplätze, Steuern – der Staat verdient an jedem Lungenzug. So blüht das Geschäft, so schön und bunt, wie die Tabakpflanzen auf den Feldern.
Die Tabakbauern sind gläubige Muslime. Es ist Ramadan. Kein Essen, kein Trinken, keine Zigarette vor Sonnenuntergang. Am Abend aber hat die Lunge wieder voll zu tun. Es wird geraucht, gequalmt, gepafft.
Auch hier haben viele mit acht oder neun Jahren angefangen. Selbst die Jüngsten preisen die Vorzüge des ungezügelten Rauchens.
Rauchende Kids:
Ich habe angefangen, da war ich 13. Bei der ersten Zigarette habe ich gedacht. Nee, schmeckt nicht. Aber je länger Du rauchst, umso besser geht es Dir.
Noch einmal nach Sumatra. Vor zwei Jahren hat Aldy das letzte Mal geraucht. Er war zur Therapie in Jakarta. Mehr Vitamin statt Nikotin. Mehr Spielzeug statt Feuerzeug. Der Rat der Ärzte hat geholfen: Aus dem randalierenden Raucher ist ein aufgeweckter Junge geworden, mit charmantem Lächeln.
Vielleicht sogar ein Vorbild.
Aldy Rizal:
Autor: Philipp Abresch/ARD Studio Singapur
Stand: 08.07.2019 21:20 Uhr
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