So., 07.05.23 | 18:30 Uhr
Lanzarote: Energie aus Vulkangestein
Dieses Teil soll Energie liefern. Tag und Nacht. So viel wie eine Familie zum Leben braucht. Aufsteigende Hitze aus dem Bauch eines Berges ist Grundlage der Idee: Geothermie – nur ganz anders, als bisher betrieben. Jetzt muss sich zeigen, ob die Idee von Forschenden aus dem nordspanischen Pamplona funktioniert. "Das ist ein neues System. Im Vergleich zu bisherigen Anlagen, kommt es ohne Turbinen aus, die von Wasserdampf angetrieben werden. Das hier muss man nicht so groß bauen", erklärt Prof. David Astrain, der Leiter der Forschungsgruppe.
Ein Infrarot-Thermometer misst zwischen 33 und 37 Grad auf der Oberfläche der Vulkanlandschaft von Lanzarote. Ganz wichtig jetzt: Die Temperaturen. "Was ich mir wünsche: Dass es da unten – in der Erde – schön heiß ist. Wo wir die Hitze brauchen, wo wir sie holen. Oben sollte es kühl sein", sagt Prof. Astrain.
Aus Temperaturunterschied wird Strom
Klar ist: Dass man mit erloschenen Vulkanen auf Lanzarote spielen kann. Mit der Hitze knapp unter der Erdoberfläche. Aber ist das mehr als eine Touristenattraktion? Kann man heißes Lava-Gestein auch nutzen, um Strom zu erzeugen? Eine erste Messung: Wie heiß ist es genau – knapp unter der Erdoberfläche? Reicht das? "426 Grad. So heiß ist es in zwei Metern Tiefe! Ja, die Lufttemperatur, wie sie hier austritt. Das ist geothermisches Potenzial! Ja, ja!", sagt der Leiter der Forschungsgruppe. 426 Grad, jetzt 428? Unser Team kann es nicht glauben. "Hier kannst du fühlen! Aber vorsichtig! Brennt! Jetzt glaubst du es – oder?"
Mehr als 400 Grad an einem Ende des Systems in der Erde, weniger als 40 Grad an der Oberfläche. Das sei vielversprechend. Denn eine möglichst große Temperaturdifferenz soll in dem System für eine elektrische Spannung sorgen. "Dank der effizienten Wärmetauscher, die wir konstruiert haben, können wir die Hitze direkt in die Module bringen und sie in Energie umwandeln", erklärt die Ingenieurin der Forschungsgruppe Patricia Alegria. "Meine Motivation ist: Etwas schaffen, dass es bisher nicht gibt auf der Welt. Wie diese Anlage. Energie, die wir hier gewinnen können, schont den Planeten", sagt Leyre Catalan, eine weitere Ingenieurin.
Forscher:innen sehen großes Potenzial
Auf dem Testgelände, dem Nationalpark Timanfaya auf Lanzarote, ist die Hoffnung groß, dass Daten in wenigen Tagen eindeutig sind. Dass das neue System zur Energie-Gewinnung in Vulkan-Gebieten funktioniert. "Diese Energie, die wir aus der Erde bekommen. Die haben wir 365 Tage. 24 Stunden lang. Damit wollen wir den Energiebedarf des Nationalparks decken. Damit wir dafür keine fossilen Energieträger mehr brauchen", sagt der Direktor des Nationalparks Pascual Gil Muñoz.
Schon bald soll dieses Restaurant mit dem Strom aus den neuen Anlagen versorgt werden. Auch auf einer anderen Kanareninsel wird das Experiment verfolgt: La Palma. Der letzte Vulkanausbruch ist hier nicht einmal zwei Jahre her. An manchen Stellen ist es wenige Meter unter den provisorischen Straßen noch 700 Grad heiß. Achtung: Heiße Zone, warnen diese Schilder. Ein großes Potenzial. Die Daten vom Experimentierfeld liegen jetzt vor. Auswertung in der Universität von Pamplona. Und? "Wir könnten mit diesem System auf Lanzarote fünf Mal mehr Energie herstellen als mit Photovoltaik-Anlagen", erzählt Professor David Astrain, Leiter der Forschungsgruppe.
Diese Kurve zeigt: Die Anlage liefert konstant Strom. Nachts, wenn der Temperaturunterschied größer ist, ein bisschen mehr als am Tag. "Der Strom-Verbrauch eines Hauses auf Lanzarote. Einer Familie. Vier Personen! Wir gewinnen etwa 120 Watt ohne Unterbrechung." Nun werden sie dieses Experiment, das vom "Next Generation Fonds" der EU gefördert wird, ausbauen. Weitere Anlagen folgen in diesen Tagen. Und dann? "Sie veröffentlicht die Ergebnisse. Andere Wissenschaftler lesen es und werden den nächsten Schritt machen – oder mehr."
Ein hoher Temperaturunterschied zwischen Oberfläche und zwei Metern Tiefe, und eine Anlage, die daraus Strom erzeugt. Tag und Nacht, ganz ohne Verschleißteile. Nicht nur für die Vulkaninsel Lanzarote ein neues Stück Hoffnung für die Energiewende.
Autor: Sebastian Kisters / ARD Studio Madrid
Stand: 17.05.2023 10:43 Uhr
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