Mo., 13.11.17 | 04:50 Uhr
Das Erste
Libanon: Krise um Hariri
"Running for you", "Wir alle warten auf dich" – gemeint ist Saad Al-Hariri, Libanons Ministerpräsident, der es seit einer Woche de facto nicht mehr ist und sich derzeit in Saudi-Arabien aufhält.
Rätselraten um Al-Hariri
George Gargoura hat mit seiner Frau und den beiden Kindern an einem Acht-Kilometer-Lauf teilgenommen. Die beiden sind Christen. Doch der sunnitische Ministerpräsident Al-Hariri, sagen sie, sei auch ihr Präsident. Ehefrau Alina Gargoura beschreibt die Lage: "Was uns beeinflusst, ist das Psychische: Unsere Nerven sind angespannt. Weil wir wissen nicht genau, wo unser Regierungschef ist und was aus ihm wird."
Ehemann George Gargoura ist besorgt: "Für mich ist das so, als wäre er in Geiselhaft. Er muss zurückkehren in sein Land und seine Angelegenheiten in seinem Land klären."
"Wir sind mit dir" steht auf diesen Plakaten. Hariri war erst vor einem Jahr ins Amt gekommen, hatte den Menschen eine neue politische Ära versprochen – nach zwei Jahren ohne jegliche Regierung im Libanon.
Al-Hariri bei den Saudis
Bilder, die Al-Hariri mit dem saudischen König bin Salman zeigen. Vor einer Woche schockt Al-Hariri seine Landsleute im Libanon mit einem Auftritt im saudischen Fernsehen: Al-Hariri verkündet seinen Rücktritt. Er befürchte einen Anschlag gegen seine Person. Dahinter stecke die Hisbollah und der Iran: "Ich will dem Iran sagen und seinen Anhängern, dass sie verlieren werden bei ihren Einmischungen in die Angelegenheiten der arabischen Nationen. Und die arabische Welt wird sich erheben so wie in der Vergangenheit. Die Hände, die den arabischen Ländern schaden, werden abgeschnitten."
Er gilt als treibende Kraft hinter der Erklärung: Kronprinz Mohamed bin Salman. Er will den Einfluss des Irans in der arabischen Welt zurückdrängen. Nutzt er Hariri, um Konflikte zwischen der Hisbollah und den anderen Parteien im Libanon zu schüren? Hat er Hariri sogar unter Hausarrest gestellt?
Viele Libanesen denken so. Doch keiner weiß etwas Genaues. Politiker tauchen ab, wollen die Stimmung nicht weiter anheizen. Nur er spricht mit uns: Joseph Maalouf ist Abgeordneter von der christlich geprägten Partei der "Lebanese Forces". Er vermutet, dass der Rücktritt Hariris eher mit innenpolitischen Problemen zu tun haben könnte: "Einige sagen, dass Hariri gezwungen wurde zurückzutreten. Das glaube ich nicht. Ich glaube, es war eher eine Ansammlung von ernsthaften Sachen, die passiert sind. So haben einige Minister der Hisbollah auf eigene Faust Syrer besucht, ohne Abstimmung mit dem Kabinett von Hariri."
Die Hisbollah gegen Saudi-Arabien
Das sieht man hier ganz anders: Die Hisbollah-Hochburg im Süden Beiruts, hier Archivbilder. Deren Chef Nasrallah sieht in dem Rücktritt Al-Hariris eine Einmischung Saudi-Arabiens in die Politik des Libanon, spricht gar von einer Kriegserklärung.
Könnte in dem Land tatsächlich wieder ein Krieg drohen? Kaum einer mag daran wirklich glauben. Eher fürchtet man hier wirtschaftliche Folgen. Viele Libanesen haben Angehörige, die in Saudi-Arabien Gastarbeiter sind. Würden die infolge der Krise aus Saudi-Arabien ausgewiesen, so die Furcht, könnte das wirtschaftliche Folgen für viele Familien haben.
Angst vor wirtschaftlichen Folgen
Mahmoud Fakih betreibt seit 30 Jahren einen Laden für hochwertige Schuhe und Ledertaschen. In Zukunft muss er auf Kundschaft aus Saudi-Arabien und anderen reichen arabischen Staaten verzichten, denn die haben ihre Landsleute aufgefordert, den Libanon zu verlassen. Noch aber, sagt er, sei davon nichts in seinem Portemonnaie zu spüren: "Wir leben doch, wie man so schön sagt, umringt von einem Vulkan, und es brodelt links und rechts. Doch wir sind weit weg von all den Sicherheitsbedenken. Wenn du dir die Länder anschaust um uns, sie haben alle große Sicherheitsprobleme. Da geht es uns ja sehr gut im Vergleich ja gut."
Al-Hariris Abwesenheit – sie hält die politische Spannung im Libanon aufrecht. Die Menschen müssen damit leben. Viele von ihnen haben Erfahrung damit.
Autor: Eric Beres, ARD Kairo
Stand: 31.07.2019 11:15 Uhr
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