So., 06.03.22 | 18:30 Uhr
Das Erste
Litauen: Gemischte Gefühle gegenüber Russland
Im kleinen litauischen Dörfchen Tvericius enden NATO und EU. Rentnerin Inese Cepule hat fast ihr ganzes Leben hier verbracht: "Zu Sowjetzeiten konnten wir nach Lust und Laune da rüberfahren. Mit Freunden ab ins Auto, um Saika, leckere Brötchen, oder den Kuchen Nesterka dort zu kaufen. Es fehlt mir. Es ist immer noch so nah, aber nicht mehr erreichbar."
Die unbeschwerten Jahre hier, sie sind verschwunden wie die Sowjetunion. Ein schleichender Prozess: Schließung der Grenze, dann verschwanden die Jobs, die Jungen zogen weg. Wer blieb, musste sich selbst helfen. Noch immer baut sie Gemüse an, mit dem sie damals ihre Familie über die Runden brachte.
Zukunft mit Sorgen
Was kommt da auf Menschen in Litauen zu? Hier im Grenzdorf werden die Fragen lauter.
Zwei Autostunden entfernt: die Hauptstadt Vilnius. Rita, die Tochter der Cepules, arbeitet hier als Taxifahrerin. Sie lädt zu einer kleinen privaten Stadtrundfahrt. Doch schnell wechselt auch hier das Thema. Viele ihrer Freunde würden sich bereits auf Krieg vorbereiten, sagt Rita. Die Angst wachse: "Meine Urgroßmutter hat immer gesagt, nichts ist schlimmer als der Krieg. Ich selbst habe nie den Krieg mit meinen Augen gesehen. Es ist wohl das schrecklichste, was deinem Zuhause passieren kann. Ich denke viel an mein Heimatdorf."
Der Kontakt zu ihren Eltern in Tvericius ist ihr wichtig in diesen Tagen. Dass sie und die Generation ihres Sohnes jemals Krieg fürchten müsse. Das hätte sie vor wenigen Wochen nicht für möglich gehalten.
Und so beruhigen diese Bilder: Bundeswehr-Soldaten auf dem Weg nach Rukla, wo bereits knapp 2000 NATO-Kräfte stationiert sind.
Aber was kommt als Nächstes? In den Köpfen vieler Menschen in Litauen ist der Krieg angekommen.
Autor: Kristopher Sell, ARD Stockholm
Stand: 07.03.2022 09:59 Uhr
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