So., 12.07.20 | 19:20 Uhr
Das Erste
Marokko: Das Sterben der Oasen
Eine grüne Insel aus Palmen mitten in einem Meer von rotem Sand – so sehen Oasen in der Vorstellung aus. Und noch gibt es diese Bilder in Marokko. Bei genauerem Hinsehen aber zeigt sich, das Grüne an den Rändern der Oase ist dem abgestorbenen Braun gewichen. Wassermangel lässt die Dattelpalmen verdorren.
Die Menschen in M’hamid El Ghizlane müssen immer tiefer graben, um an Wasser zu kommen. Der Klimawandel zeigt sich auch hier. Die alten Quellen versiegen. Verzweifelt kämpfen die Oasen-Bewohner gegen die Wüste. Zwei Drittel aller Oasen in Marokko sind in den vergangen hundert Jahren verschwunden.
Oasen versinken im Wüstensand
Unterwegs in einer Oase, oder was davon noch übriggeblieben ist. Halim Sbai, hier im Süden Marokkos groß geworden, will uns den Klimawandel in der Wüste zeigen. Zusammen mit einem Bekannten wird er eine abgestorbene Palme fällen, um aus dem Holz Möbelstücke zu fertigen. Denn Früchte wie Datteln tragen sie schon lange nicht mehr. Die vorrückenden Sanddünen haben den Palmen keine Chance gelassen. „Irgendwie erweisen wir dieser Palme die letzte Ehre. Denn das hier ist ein Friedhof. Uns bleiben nur noch die Reste dieser Palme.“
Diese Oase versinkt im Wüstensand. Seit Jahren wird es immer heißer, und regnet es immer weniger. Die Sandstürme nehmen zu. Halims Vater pflanzte hier noch Palmen an und lebte gut von der reichen Dattel-Ernte. „Warum gibt es diesen Friedhof? Die Antwort ist einfach – es ist der Mangel an Wasser. Dieser Mangel wird durch den Klimawandel hervorgerufen und der beschleunigt die Ausbreitung der Wüste.“ Bei Euch verschwinden die Gletscher in den Bergen, sagt Halim, bei uns sind es die Oasen.
Das Dorf M’hamid El Ghizlane, am Rande der Sahara. Von der Oase ist nur noch ein Flickenteppich übriggeblieben. Nur auf wenigen Parzellen ist Landwirtschaft noch möglich. Der Bauer Lahbib Bahadi beackert hier einen kleinen Gemüsegarten, der ist ihm noch geblieben. Der 61jährige hat elf Kinder, die meisten von ihnen haben die Region längst verlassen. Bauer Bahadi weiß nicht, wie lange noch sein Garten Früchte tragen wird. Zwar hat er einen eigenen Brunnen, doch er muss immer tiefer nach Wasser graben. „Die Zukunft? Die sieht so aus: die Jungen müssen woanders nach Arbeit suchen. Nur meine Generation, die der Älteren, bleibt hier.“ Die Sanddünen sind schon kurz vor seinem Garten angekommen, nur noch wenige Palmen erinnern an die einstige Oase.
Der Vormarsch der Wüste soll gestoppt werden
In M’hamid El Ghizlane leben nur noch 7.000 Menschen, die meisten Einwohner haben dem Ort den Rücken gekehrt. Halim Sbai betreibt im Ort ein kleines Café, und er arbeitet als Touristenführer. Ihn treibt um, wie das Klima seine Heimat verändert und die Chemikerin Meryem Tanarhte erforscht dies an der Universität Casablanca. Untersuchungen sagen voraus, dass die Temperatur in Nordafrika doppelt so stark ansteigen wird wie im weltweiten Durchschnitt. „Das heiße Wüstenklima wird sich besonders im Sommer verschlimmern. Im günstigsten Fall wird die Temperatur um zwei bis drei Grad bis Ende 2050 ansteigen.“ Zwei Drittel aller Oasen in Marokko sind in den letzten hundert Jahren verschwunden.
Halim und die Bauern versuchen, den Vormarsch der Wüste mit Büschen und Bäumen zu stoppen. Dabei soll ein Patent aus Holland helfen, die „Waterbox“, ein Topf aus Bioplastik. Dorthinein wird der Setzling gesteckt und dann in das Erdreich eingepflanzt. Danach wird die Waterbox mit reichlich Wasser begossen. So hat die Pflanze in den nächsten Monaten einen natürlichen Wassertank und eine bessere Überlebenschance. Bäume und Büsche als Barriere - so sollen die letzten fruchtbaren Felder gegen die Sahara verteidigt werden. „Das ist ein Alarmsignal für die Welt", sagt Halim Sbai. "Hier wird bald nichts mehr sein, die Wüste erobert schnell unsere Oasen.“
Nicht weit vom Dorf entfernt liegt die größte Sandwüste Marokkos, Erg Chegaga – für Touristen ein beliebtes Ausflugziel. Die mächtigen Dünen sind eine Warnung – sie wachsen ohne Unterlass. Die Verwüstung, gegen die sich Halim stemmt, geht immer weiter.
Autor: Stefan Schaaf, ARD-Studio Madrid
Stand: 12.07.2020 22:26 Uhr
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