Mo., 16.11.15 | 04:50 Uhr
Das Erste
Mauretanien: Spanische Polizisten in Afrika
Irgendwann taucht in der Wüste Mauretaniens ein ewig langer Zug auf. Geladen hat er Eisenerz, eines der wenigen Reichtümer dieses armen Landes. Verladen wird es hier an der Küste, in Nouadhibou. Die Grenzstadt im Norden ist ein Sehnsuchtsort – Migranten aus ganz Westafrika verdingen sich hier als Tagelöhner auf den Fischerbooten, aber die meisten von ihnen wollen weiter: denn von Nouadhibou sind es nur 800 Kilometer über den Atlantik auf die Kanarischen Inseln, also nach Spanien.
Migrant aus Senegal: "Mein Traum ist Europa, sagt dieser Senegalese, dort hilft man doch den Afrikanern."
Migrantin: "Irgendwann will ich nach Europa, davon träumt doch jeder."
Europäische Grenzschützer in Afrika
Aber sie haben etwas dagegen – Polizisten von der spanischen Guardia Civil gehen zusammen mit mauretanischen Kollegen auf Streife. Europäische Grenzschützer mitten in Afrika – ein ungewöhnliches Bild. Spanien hat mit Ländern wie dem Senegal und eben Mauretanien gemeinsame Kontrollen vereinbart. Nun überprüfen Patrouillen der Guardia Civil täglich Fischerboote vor Nouadhibou.
Vor zehn Jahren ging es hier zu wie heute im Mittelmeer – zehntausende Afrikaner versuchten die gefährliche Überfahrt auf die Kanaren. Doch in diesem Jahr waren es nur noch ganze dreihundert – der Seeweg nach Spanien ist blockiert. Pablo Formigo, Capitan Guardia Civil: "Wir haben den Flüchtlingsstrom an dieser Stelle in der Tat bremsen können. Und wir helfen den einheimischen Behörden, Maßnahmen vor allem gegen die Schlepper-Organisationen zu ergreifen."
Wartesaal für Flüchtlinge
Ein europäischer Vorposten in Afrika – Operation Seepferdchen nennt sich das Programm, das auch von der EU-Behörde Frontex mitfinanziert wird. Mauretanien erhält Geld und militärische Ausrüstung, damit es seine Grenzen sichert – obwohl es nach westlichen Vorstellungen nicht wirklich eine echte Demokratie ist.
Djop Saidou, Kommandant Nouadhibou: "Früher waren es noch tausende Illegale, die nach Europa wollten, doch dank der Zusammenarbeit mit den Spaniern kommt das heute so gut wie gar nicht mehr vor."
Nouadhibou ist zu einem Wartesaal für Flüchtlinge geworden, tausende Westafrikaner sind hier gestrandet, die Hoffnung auf Europa haben sie nicht aufgegeben.
Es ist eine katholische Mission, die sich in Nouadhibou als einzige um diese Menschen kümmert und ihnen Angebote macht – mit einem Computerkurs etwa. Zurück in die Heimat will kaum einer dieser Migranten, es wäre ein Eingeständnis, gescheitert zu sein. Sie alle glauben daran, es irgendwann doch noch zu schaffen – auch wenn sie sich realistisch geben.
Alle wollen nach Europa
Jean Atebe: "Seit es die Guardia Civil gibt, kommt man nicht mehr nach Spanien, sagt Jean Atebe aus Kamerun. Klar wissen wir von der Krise bei Euch, aber trotzdem wollen alle hier weiter nach Europa."
Einen Saal weiter zeigt uns Pater Pachel einen Nähkurs – finanziert werden diese Kurse nur durch Spenden. Hier, findet der Priester aus dem Kongo, könnte sich die Europäische Union eigentlich auch engagieren.
Pere Pachel, katholische Mission Nouadhibou: "Die Europäer wollen nur Grenzen sichern, aber sie sollten auch daran denken, Entwicklung in den Ländern zu fördern, aus denen die Migranten kommen."
Der Auftrag der dreißig Beamten von der Guardia Civil ist eindeutig – sie sollen die Grenzen dicht machen. Seit etwa einem Jahr gehören dazu auch Patrouillen an Land. Die Gespräche mit den Fischern sind für die Polizisten wichtig, so bildet sich Vertrauen. Und manches Mal bekommen sie auch wichtige Hinweise, etwa auf geplante Aktionen von Schleppern.
Europäische Grenzschützer in Afrika
Die Beamten sehen in ihrer Arbeit nicht nur ein Modell für Westafrika, sondern durchaus auch für andere Regionen, etwa im Mittelmeer.
Pablo Formigo, Capitan Guardia Civil: "Wir haben gezeigt, dass wir die Grenzen effizient in Spanien und auch hier überwachen können. Und das ist auch in anderen Teilen der Welt denkbar."
Europäische Grenzschützer in Afrika – das findet in Mauretanien nicht nur ungeteilte Zustimmung. Menschenrechtler in Nouadhibou kritisieren, dass ihr Land nun von den Europäern gezwungen würde, die eigenen Grenzen dicht zu machen. Dabei sei man immer ein Transitland für viele Afrikaner gewesen.
Niane Youssouf Thierno, Mauretanische Menschenrechtsliga: "Europas Politik ist nur auf die Sicherheit ausgerichtet. Die Präsenz der Europäer schränkt unsere Bewegungsfreiheit ein, also eines unserer fundamentalen Grundrechte."
Manchmal treffen beide Welten aufeinander – Pater Pachel organisiert gemeinsame Gottesdienste mit spanischen Polizisten und afrikanischen Migranten. Gegenseitige Feindbilder sollen so abgebaut werden. Und in der Tat haben sich die meisten Menschen in Nouadhibou an die Spanier gewöhnt.
Pere Pachel, katholische Mission Nouadhibou: "Wir sagen den Migranten: die Guardia Civil ist nicht hier, um Euch zu behindern, sie wollen helfen und Leben schützen."
Mit den Patrouillen vor Mauretaniens Küste hat Spanien die Fluchtroute über den Atlantik erfolgreich gekappt. Die Guardia Civil verteidigt Europas Grenzen – in Afrika.
Pablo Formigo, Capitan Guardia Civil: "Ja, das ist so. In dieser Uniform steckt doch ein Europäer, der die EU repräsentiert. Wir schützen hier die Interessen jedes Mitglieds der Europäischen Union."
Enge Zusammenarbeit mit afrikanischen Ländern, Präsenz vor Ort und Gelder von der EU – so will Spanien seine Flüchtlingskrise bewältigen.
Autor: Stefan Schaaf
Stand: 10.07.2019 02:34 Uhr
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