Mo., 14.11.16 | 04:50 Uhr
Das Erste
Mexiko: Angst an der Grenze
Sie sind vor Bandenkriegen und Naturkatastrophen aus ihren Ländern geflohen und haben es bis an die Grenze zwischen Mexiko und den USA geschafft. Nur warten sie in der Nähe der Grenzstadt Tijuana auf die Chance, illegal in das Land ihrer Träume einzureisen. Haitianer, junge Männer aus El Salvador und Honduras, und auch viele Mexikaner.
Seit dem Wahlsieg Donald Trumps macht sich unter ihnen Unruhe breit, ob sie es noch "rechtzeitig" schaffen, bevor – wie angekündigt – das Grenzregime durch die künftige US-Regierung verschärft und vielleicht sogar eine stabile Mauer gebaut wird. Während die einen auf eine baldige Chance lauern, kommen andere desillusioniert zurück: Als Illegale abgeschoben aus den USA. Viele wollen es nicht erneut versuchen. Sie glauben, dass die Stimmung gegen Ausländer die illegal in den USA leben, immer aggressiver wird.
Der Grenzzaun trennt viele von ihrem Traum
"Es wird kompliziert, aber nicht unmöglich. Ich glaube ich werde springen. Ich muss schnell über Grenze, bevor Trump sein Amt antritt." Nur ein paar hundert Meter trennen Luis Martinez von seinem Traum – einem Leben in den USA. Und dieser Grenzzaun. 4.000 Kilometer ist er gereist, von Guatemala einmal quer durch Mexiko, bis zur Grenzstadt Tijuana. Auf der Suche nach einem Job und einem besserem Leben für seine Familie. "Es ist sehr gefährlich in Guatemala. Viele kriminelle Banden, die dich bedrohen, obwohl du gar nichts getan hast. Sie rauben dich aus. Das ist sehr gefährlich."
Wie er suchen Tausende ein besseres Leben in den USA. Sie kommen aus Mexiko und ganz Lateinamerika. Oft stranden sie hier in Tijuana und sind froh, über eine gespendete, warme Mahlzeit. Für Francisco ist es die einzige am Tag. Er ist in Mexiko geboren, aber in den USA aufgewachsen. Im letzten Jahr hat ihn die Polizei mit Drogen erwischt und zurückgeschickt, in ein für ihn fremdes Land. Dass Donald Trump Präsident wird, macht ihm Sorgen. "Ich habe Angst davor, dass ich meine beiden Kinder nie wiedersehen werde. Das macht mir richtig Angst, jetzt wo Trump Präsident wird. Aber ich wünsche ihm trotzdem alles Gute." Alles Gute für den neuen US-Präsidenten, der so gegen die Latinos gewettert hat. Sie als faul und kriminell abgestempelt hat.
150.000 illegale Einwanderer wurden nach Mexiko zurückgeschickt
Luis sieht seine Zukunft trotzdem in den USA. Noch wartet er auf den richtigen Moment, um rüberzukommen. So lange wohnt er in einer Behelfs-Unterkunft – mit vielen Einwanderern. Manche von ihnen waren schon in den USA – und wurden zurückgeschickt. Sie alle haben ein ähnliches Schicksal. Und doch muss es jeder für sich alleine schaffen. "Ich war nicht in der Schule, ich kann nicht lesen. Aber ich will, dass meine Kinder zur Schule gehen können, und im Leben vorankommen. In Guatemala reicht das Geld nicht für ein Studium. Deshalb muss ich in die USA."
Doch das Risiko ist groß. Viele schaffen es nicht lebendig auf die andere Seite. Und wer es schafft, ist längst nicht in Sicherheit. 150.000 illegale Einwanderer haben die US-Behörden im letzten Jahr nach Mexiko zurückgeschickt. Mit einem Präsidenten Donald Trump könnte diese Zahl weiter steigen. Er hat angekündigt, alle 11 Millionen Einwanderer ohne Papiere auszuweisen. "Ab Januar erwarten wir deutlich mehr Abschiebungen", erklärt José Maria Garcia, Koordinator beim "Bündnis für Migranten" in Tijuana. "Wir wissen, wenn das losgehen sollte, müssen wir vorbereitet sein. Wir sind ja die ersten, zu denen sie kommen, hier an der Grenze."
Viele Mexikaner bangen um ihre Jobs
Dabei ist Mexiko schon jetzt überfordert mit den vielen Deportierten. Und die Situation könnte sich noch verschärfen, denn nun bangen auch viele Mexikaner selbst um ihre Jobs. Viele Arbeitsstellen hängen, hier in Tijuana, von den USA ab. Gleich hinter dem Zaun: die riesigen Produktionshallen der "Veredlungsindustrie": US-Unternehmen lassen hier, viel günstiger als in den USA, Vorprodukte weiterverarbeiten. Rund 175.000 Mexikaner arbeiten in den Betrieben. Viele haben nun Angst um ihre Stellen. Denn Donald Trump hat angekündigt, auch die einfachen Industriejobs in die USA zurückzuholen. "Ich mache mir Sorgen weil es für uns Mexikaner dann vielleicht keine Arbeit mehr geben wird", sagt Rosita. "Und die Wirtschaft wird doch leiden, darunter. Wie sollen wir dann unsere Familien ernähren?"
Eine weitere Gefahr: Trump könnte die Steuern auf Importe erhöhen. Mexiko wäre dann nicht mehr wettbewerbsfähig. "Wir würden viele Jobs verlieren", meint der Geschäftsführer Rene Paredes. "Die Wirtschaft schrumpft. Der Wechselkurs fällt und die wirtschaftlichen Probleme wachsen. Mexiko wird dann zu einem noch schwierigeren Nachbarn für die USA, weil es an der Grenze viele Probleme gäbe." Der Faktor Trump, er macht viele Menschen nervös, das ist zu spüren. Genauso, wie eine fast trotzige "Jetzt-erst-Recht"-Stimmung. Luis will sich jedenfalls von seinem Vorhaben nicht abbringen lassen. "Wenn sie mich abschieben, werde ich es wieder versuchen. So lange, bis ich es schaffe." So hoch meint er, oder so breit könne die Mauer, die Donald Trump plant, gar nicht sein.
Ein Film von Joana Jäschke
Stand: 13.07.2019 05:58 Uhr
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